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Das koloniale Hochland Mexikos und ein einmaliges Erlebnis: die Dias de los Muertos

Unsere Entscheidung, die Baja California ein paar Tage früher zu verlassen, hat sich als absolut richtig herausgestellt: der Hurrikan Norma richtet schwere Verwüstungen an und der Fährverkehr zum Festland muss unterbrochen werden. Wir bekommen davon glücklicherweise nichts mehr mit und genießen stattdessen die kühlen und trocknen Temperaturen des Hochlandes auf über 2.000 Meter Höhe. Sehr angenehm, wenn man nicht mehr völlig nass geschwitzt ist, beziehungsweise die Klimaanlage die ganze Zeit laufen lassen muss.

In Durango bekommt Shujaa nach drei Monaten endlich mal wieder eine Großwäsche verpasst: Leider befinden sich hier die ganzen Wagenwäscher in kleinen Hinterhöfen, wo wir mit Shujaa nicht reinkommen, so dass ich – wie aus Nordamerika schon gewohnt – selbst Hand anlegen muss. Wir verbringen ein paar ruhige Tage zwischen Kühen und Eseln auf der ehemaligen John Wayne Ranch, die mit ihren verschiedenen historischen Gebäuden immer noch als Filmkulisse für Western-Filme dient. In der Sierra de Organos machen wir seit längerem mal wieder eine Wanderung in bizarren Felsformationen… kühle Temperaturen steigern das Aktivitätsniveau doch ungemein!

Je weiter wir im Hochland nach Süden fahren, je mehr kommen wir in das ehemalige koloniale Zentrum Mexikos und entsprechend prachtvoller werden die Städte. Die an einem Bergrücken gelegene, ehemalige Silberstadt Zacatecas ist wunderschön, Aguascalientes und San Louis de Potosi stehen dem etwas nach, aber wir haben viel Freude uns mal wieder schöne, alte Bausubstanz gepaart mit Kultur anzuschauen… nachdem die knapp 10 Monate in Nordamerika ja diesbezüglich nicht so von Höhepunkten geprägt waren.

Um etwas Abwechslung zu bekommen und noch einmal eine völlig andere Region zu erkunden, beschließen wir, noch einen Abstecher aus dem kolonialen Hochland in die schon am Rande der Golf von Mexiko Tiefebene gelegene, sehr wasserreiche Sierra de Gorda zu machen. Woher das viele Wasser kommt, wird uns schnell klar: während der drei Tage regnet es fast ununterbrochen… es sind die Ausläufer eines neuen Hurrikans, die sich hier an den Bergen tüchtig abregnen. In Tamasopo beeindrucken uns nicht nur die recht touristischen Wasserfälle, sondern vor allem die etwas weiter flussaufwärts gelegenen „Puente de los Dios“: wunderschöne, naturbelassene Gumpen mit Wasserfällen und Höhlen, in die man reinspringen muss und per Räuberleiter wieder rausklettert. Da stört dann auch nicht mehr der Regen von oben! Die Piste zu den Tamul-Wasserfällen führt uns auf kleinen Straßen durch tief-tropisches Gebiet: Bananen-Stauden, Papaya Pflanzen und sehr ärmliche Hütten zeigen uns ein Bild, was wir eigentlich erst viel weiter im Süden von Zentral-Amerika erwartet hätten. Leider hat der Tamul-Wasserfall derzeit kein Wasser – trotz der ganzen Regenmengen, die zurzeit vom Himmel fallen – und die geplante Tour mit unserem Kajak Flipper blasen wir wegen Schlecht-Wetter ab. Dafür entschädigt der verwunschene und stark spirituell angehauchte Garten „Las Pozas“ des britischen Millionärs und Exzentrikers Sir Edward James für das bescheidene Wetter und die langen, kurvigen und anstrengenden Fahrten durch die Bergwelt der Sierra de Gorda. Nebel, tiefhängende Äste und viele Schlaglöcher kombiniert mit permanenten Geschwindigkeits-Schwellern (sogenannte „Topes“) machen das Vorankommen schwierig.

Fast wieder im Hochland angekommen, sind wir eher enttäuscht von den – auch von vielen anderen Overlandern – hochgelobten „Grutas de Tolantongo“. Zwar ist die Lage an einem tief eingeschnittenen Canyon sehr schön und der Tunnel sowie der Wasserfall beeindruckend, aber die künstlich angelegten Wasserbecken und vor allem die auf mexikanischen Inlandstourismus ausgelegte Infrastruktur ist nicht unser Ding. Obwohl noch nicht einmal Wochenende, müssen wir an dicht an dicht aufgebauten Zelt-Städten unseren Weg zu den Sehenswürdigkeiten bahnen, Imbiss-Stände an jeder Ecke und laute mexikanische Klänge als Begleitmusik. Aber jedem das Seine… im Schwimmbad waren wir schon zu Hause nicht so gerne und umso mehr genießen wir die Ruhe unseres Stellplatzes an der nicht weit entfernten Abrisskante zum Canyon.

Nicht immer kann man auf einer Weltreise zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein… so war es z. B. sehr schade, dass wir auf der Baja California außerhalb der Wal-Saison unterwegs waren. Aber jetzt sind wir „Spot On“ zu den mehrtägigen Festivitäten rund um die „Dias de los Muertos“ im Kerngebiet des südlichen kolonialen Hochlandes. Im sehr pittoresken Städtchen Bernal bekommen wir einen ersten Vorgeschmack auf das, was uns in den nächsten Tagen erwartet: Blumen-Dekos wohin das Auge schaut, liebevoll dekorierte Altäre mit Fotos und Lieblings-Essen der geliebten Verstorbenen und kunstvoll im „Toten-Look“ maskierte und verkleidete Menschen.

Die Dias de los Muertos (Tage der Toten) sind Gedenktage für die Toten, ähnlich unserem Allerheiligen oder dem Halloween und doch ganz anders. Man sagt die Lieben kommen dann für einen Tag aus dem Jenseits zurück, um das Wiedersehen mit Musik, Tanz und gutem Essen zu feiern. Am ersten Tag gedenkt man den Kindern, am zweiten den Erwachsenen. Die leuchtend gelben Blumen (Studentenblumen) sollen dabei den Toten den Weg weisen. Wunderschön finden wir, dass diese Tage gefeiert werden und nicht traurig sind. Die Tage werden lebensbejahend in einer Explosion der Farben begangen. Ursprünglich kommen die Feierlichkeiten von den prä-hispanischen Kulturen wie den Azteken, die heute mit christlichen Riten gemischt werden. Eine zentrale Rolle dabei spielen die Altäre, die die Toten willkommen heißen und alles Notwendige zur Verfügung stellen sollen (Essen, Wasser, Bilder als Erinnerung, Räucherwerk zur Reinigung, …). Die Figur „La Catrina“ ist dabei eine zentrale Darstellung. Der Karikaturist José Guadalupe Posada hat die Figur erst Anfang des 20. Jh. erfunden, die sarkastisch die mexikanische Oberschicht darstellen soll, „…denn am Ende kann man sich noch so schön kleiden, sterben werden wir alle“.

Nach einem Besuch der ebenfalls sehenswerten Millionen-Stadt Santiago de Queretaro, schlagen wir unser Haupt-Camp während dieser faszinierenden, aber auch – wegen der vielen Menschen – sehr anstrengenden Tage in der bekannten Bilderbuch-Stadt San Miguel de Allende auf, wo wir auch noch einmal kurz unsere Reise-Freunde Tabea und Werner treffen. Die Stadt hat eine perfekt erhaltene koloniale Bau-Substanz, die exponierte Lage an einem Berghang gewährt tolle Ausblicke und die hohe Anzahl der sich hier niedergelassenen Nord-Amerikaner (Gringos) sorgt für nette Geschäfte, Restaurants und Boutique-Hotels… eins schöner als das andere – weil die Mexikaner mit ihrem Sinn für Feinheiten einfach auch wissen zu dekorieren. Es ist ein Augenschmaus. Die Erkundung der verwinkelten Gassen und Innenhöfe ist extrem abwechslungsreich und auch nach drei Tagen entdecken wir immer noch neue Ecken. Von Tag zu Tag werden die Menschen zahlreicher… die Feiern um die Totengedenk-Tage sind zweifelsohne der Höhepunkt des Jahres hier …und wir fallen abends völlig erschöpft ins Bett bei Shujaa, welchen wir an einem zentralen, aber ruhigen Parkplatz gut parkiert haben.

Ein Kurz-Abstecher für einen Tag ins benachbarte Kolonial-Städtchen Guanajuato ist ein weiterer Höhepunkt: völlig anders als San Miguel… morbider, heruntergekommener und weniger herausgeputzt, authentischer und viel, viel chaotischer. Eigentlich wollten wir hier auch den abendlichen Prozessionen beiwohnen, doch wir sind vom Sightseeing so fertig, dass wir einen Tag Pause an einem ruhigen See einlegen müssen, bevor wir den letzten Tag der Dias in San Miguel de Allende mit einer Prozession beschließen.

2 Kommentare

  1. Was für ein beeindruckender Reisebericht und welch einmalige, farbenfrohe Bilder- darüber sind wir gedanklich wieder mit dabei. 🤗 Die Dias de los Muertos sind ja spätestens seit James Bond Spectre weltbekannt – toll, dass Ihr sie miterleben konntet! Und wie gut, dass Ihr dem Hurricane noch rechtzeitig davongefahren seid… viva México!

    1. Ja, wir haben es genossen.

      Aber witzig ist folgendes (Auszug aus Wikipedia):
      Im 2015 erschienenen Film James Bond 007: Spectre zeigt die Eröffnungsszene eine Parade in Mexiko-Stadt am Tag der Toten, die es aber so bis dahin nie gab. Aufgrund des durch den Film entstandenen hohen Interesses beschloss die Regierung, eine solche Parade zu organisieren, um die mexikanische Kultur zu fördern. „Wir mussten einen Karneval zum Tag der Toten erfinden“, so der mexikanische Tourismusminister Enrique de la Madrid. „Nach dem James-Bond-Film wären die Touristen sonst gekommen, um den Umzug zu sehen und hätten ihn nicht vorgefunden.“[3] An der Parade am 29. Oktober 2016 nahmen 250.000 Menschen teil.

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