2024GefühlePanamaZentralamerika

Abschiedsschmerz

Eine ganz komische Zeit ist angebrochen. Immer, wenn ein Wechsel naht, also wenn wir entweder von zu Hause zu Shujaa reisen oder umgekehrt, wie jetzt der Fall, kommt ein sehr seltsames Gefühl auf. Bei uns beiden.

Wochen vorher haben wir uns extrem auf Mallorca gefreut. Freunde wieder zu sehen, in unserer geliebten Finca im großen Bett aufzuwachen, mit unserer Katze zu Schmusen, kreativer zu Kochen, mehr Sport zu machen, Spiritualität mehr Raum zu geben – und einfach wieder zu Hause zu sein. Wenn dann jedoch der Tag näher rückt, schauen wir unseren Shujaa jeden Tag so verliebt an, als ob es der Letzte wäre. Diesen melancholischen Blick gibt es unter der Zeit nie, weil alles so normal ist, aber jetzt wollen wir ihn nicht verlassen. Unser Kokon, unser Expeditionsmobil, das uns so unsagbar viele schöne Momente beschert hat und uns überall hinbringt. Und nun wollen wir doch eigentlich gar nicht weg von ihm.

Diese „Zwischenzeit“ beginnt oft, wenn man das Schiff bucht oder wenn ich beginne, Shujaa in jeder Ritze zu putzen. Natürlich gibt es noch viel zu erledigen, Dinge zu notieren, die wir zu Hause kaufen müssen, Planungen für die nächste Zeit (der Kalender ist für die nächsten sechs Monate schon wieder proppenvoll), MAN Service vereinbaren, überlegen, wo wir ihn dann unterstellen, neue Reifen bestellen, … aber all diese Dinge weisen auf das Ende der Reisephase hin. Jede Tätigkeit wird bewertet: Zum letzten Mal Wäsche aufhängen, wann wird es das nächste Mal sein? Zum letzten Mal einkaufen: Habe ich genug für die letzten Tage, aber nicht zu viel, damit etwas verdirbt. Es fühlt sich traurig an, aber wir wertschätzen diese Zeit dann umso mehr, weil das Reisen so nicht zu einer „normalen“ Lebensphase wird, sondern „besonders“ bleibt. Das mögen wir an diesem Gefühl und deshalb sind wir auch froh, dass wir diese zwei Standorte und damit zwei grundsätzlich verschiedenen Lebensmodellen gewählt haben. Nun ja, ein Standort und ein Mobilort. Auf diese Weise wird es uns auch selten Zuviel. Wir haben immer wieder die Abwechslung und die „Erholung“ von der vorherigen Phase. Wir haben festgestellt, dass das wichtig für uns ist, damit uns kein längerfristiger Reisekoller überkommt, wie wir es bei vielen Langzeitreisenden beobachtet haben, aber auch damit man sich immer wieder auf die nächste Etappe freuen kann. So sprechen wir jetzt schon viel über unser nächstes Reiseziel: Seidenstraße und Asien …

Und natürlich freuen wir uns immer noch auf Mallorca. Denn inzwischen wissen wir, dass diese Phase umgekehrt auch immer auf Mallorca stattfindet, wenn wir wieder zu Shujaa reisen. Denn dann wollen wir Mallorca nicht verlassen. Und inzwischen wissen wir auch, dass beide Orte für uns so wunderschön und wichtig sind und dass wir sie so sehr genießen. Und doch kommt immer 2-3 Wochen vorher dieser Wechselschmerz.

Das ist auch gut so, denn der Körper und die Seele möchten nicht so einfach verpflanzt werden für viele Monate. Der Mensch mag Beständigkeit. So geben wir uns sowohl beim Abschied als auch beim Ankommen diese Zeit und hören in uns und sprechen auch viel darüber. Dies bereichert die Beziehung, denn immer wieder ist es interessant, was uns in dieser Zeit bewegt und was uns durch den Kopf geht.

Gerade diese Tage beschäftige ich mich intensiv mit … ja wie nenne ich es? Spiritualität? Das Wort ist so abgedroschen und doch ist es das Einzige, was diese Breite an Themen umschreibt. Es gibt ein 11-tägiges Online Seminar (flow-summit) mit vielen Referenten und Vorträgen auf Videobasis. Das beschäftigt mich jeden Tag intensiv und ich werde wieder an Themen herangeführt, die mir wichtig sind und die ich über die Zeit, durch all die „Ablenkungen“ ein bisschen aus den Augen verloren habe. Das macht mich etwas melancholisch – zusätzlich. Gleichzeitig bin ich dankbar, dass ich diese Gefühle gerade geballt vor Augen geführt bekomme. Das eröffnet mir die Möglichkeit alles wieder ein wenig zurecht zu rütteln, neu zu kalibrieren. Mit was will ich meine Zeit auf Mallorca verbringen? Wie sollen meine Tage aussehen? Mit wem will ich meine Zeit verbringen? Und da schließt sich der Kreis auch wieder zum Thema „Freunde“. Ich merke, dass ich noch mehr Zeit für mich brauche, obwohl ich sowieso eher der „Einzelgänger“ bin.

Dann gehe ich rein, ins Auto und hole uns was zu trinken. Das vertraute und heimelige Gefühl, die Treppen hochzugehen, die Schublade mit dem Geschirr zu öffnen und sich in diesem supergemütlichen Raum so richtig wohlzufühlen und jeden Gegenstand zu betrachten, also ob ich ihn zum ersten Mal anfassen würde, ist fast zeremoniell und damit hoch achtsam. Auch hier schließt sich der Kreis. Ich erkenne: Der Abschied ist spirituell und eine wichtige Aufgabe.

6 Kommentare

  1. Hallo Ihr Beiden, es ist wunderbar schön beschrieben, dieses Gefühl nennen wir immer „Zwischen den Welten“. Alles hat seine Zeit, Alles hat seinen Preis. Wir freuen uns Euch persönlich zu kennen. Es gibt sicher ein Widersehen. Alles Gute Tanja und Gunnar

    1. Das können wir nur zurückgeben! Danke für die kurze, aber schöne Zeit. Wer weiß, die Welt ist groß und wir sind auf der Straße …

  2. Always love you honest blog about everything you both encounter on your travels and of course the beautiful pictures!!
    Going to miss them.
    For now have a Bliss time in Mallorca, enjoy and be safe

    1. 🙏

  3. I, like so many others really look forward to your frequent and informative travel posts. I especially enjoy how you allow us into your personal lives and the thoughtful reflections you go through in day to day life on the road.

    We came upon your Shujaa parked on the main street in Red Lodge Montana last summer and since that time I have always looked forward to your next posts…

    Thanks

    1. Hi Bob!
      What a surprise. Great: In Red Lodge … one of our favorite places. We found friends there and we have been definitely not the last time in that area. Thank you for your interest and your loyalty.
      Bests
      Karin & Oliver

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