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Freunde oder doch nur Bekannte?

Viele beneiden uns, um unsere Reise und unsere Freiheit. Aber das hat auch seinen Preis. Freunde zum Beispiel sind immer wieder und in letzter Zeit verstärkt ein Thema in unseren abendlichen Diskussionen, beeinflussen aber auch ganz stark unsere Gefühle unterwegs. So kommt auch mal Heimweh bei mir auf …

Dass man unterwegs ab und zu Heimweh hat, ist normal. Das sollte einen Langzeitreisenden auch nicht erschüttern. Heimweh nach dem eigenen Heim, mit vielleicht mehr Platz, nach den Haustieren, nach dem Garten, nach den Hobbies, denen man zu Hause nachgehen kann, aber unterwegs nur schlecht, nach dem Supermarkt, in dem man nicht jede Kleinigkeit immer wieder neu suchen muss und nach der Familie und den Freunden. Auf Reisen vermisst man gute Freunde.

So habe ich gerade ein echtes Freundestief.

Als wir Anfang 2017 weggefahren sind, für ein Jahr, war alles noch so neu. Ich habe mir keine so großen Gedanken gemacht und ich war „beschäftigt“. Da ist mir der „Verlust“ nicht so aufgefallen. Und ich war jünger. Klingt komisch, aber das ist durchaus ein wichtiger Aspekt, denn mit den Jahren werden diese Gedanken wesentlich differenzierter und Freunde werden noch wichtiger.

Und nun … zuerst war da nur ein komisches Gefühl, ein ungutes Gefühl, ich fühlte mich ausgeschlossen. Natürlich will man nicht ausgeschlossen sein, man will dazu gehören, aber das geht einfach nicht, wenn man unterwegs ist. Dann schreibt man Nachrichten, um sich in Erinnerung zu bringen. Fragt nach, wie es den anderen geht, und ist wirklich daran interessiert. Über die Zeit muss man dann feststellen, dass diese Nachrichten oft nur einseitig initiiert werden. Irgendwann macht man eine kleine Seitenbemerkung dazu, die oft gar nicht richtig eingeordnet wird und logischerweise nicht kann, weil ja die Lebenssituationen so unterschiedlich sind. Dann stellt man die Kommunikation ein und wird traurig. Manchmal war es das dann auch. Jetzt mag man leicht sagen, „na dann war es das auch nicht wert“, aber so einfach ist das nicht.

Natürlich gibt es unterschiedliche Gruppen von Freunden.

Die Handvoll, die immer da ist, der absolute „Inner Circle“. In Gedanken, in Gefühlen, in quasi fast telepathischen Momenten immer auftauchend. Da macht es dann auch gar nichts aus, wenn man sich mal ein paar Wochen nicht hört. Man fühlt sich geliebt, gehört, angenommen – jederzeit, bedingungslos. Da gibt es niemals, keinerlei Diskussion über das Thema Freundschaft oder Missverständnisse. Die merken sofort was los ist …

Dann gibt es die, die man schon lange kennt, bei denen man meint, alles ist perfekt und alles ist in Ordnung – man muss sich quasi keine Gedanken machen. Das ist es auch, zu Beginn, und dann verlieren sie das Interesse, man ist ja nicht da. Man hat ja in der Abwesenheit nichts zu bieten. Wenn man spürt, dass man an sich „nur“ eine Alternative ist und man ersetzt werden kann, durch andere „nette Möglichkeiten“, denn man ist ja nicht da, dann tut das besonders weh. Wir sind sicher nicht einfach. Nicht mit unseren Ansprüchen, nicht mit unserem Lebensmodell. So sind „sozial geschmeidigere“ Menschen offenbar die „besseren Freunde“? Es gibt ja auch genügend andere. Warum also sich kümmern oder sich gar bemühen in unserer Abwesenheit? Das wird dann schon wieder, wenn man wieder da ist … Ist das so? Wirklich? Bei mir jedenfalls bleibt ein schaler Geschmack – ein Gefühl der Austauschbarkeit. Und der belastet die Freundschaft.

Dann sind da neue Freunde oder welche, die es eventuell werden könnten. Das ist eine ganz spannende Gruppe, denn diese stehen im Vergleich zu der vorher genannten „unter Beobachtung“, denn man will ja die Geschichte nicht wiederholen – denn das tut einfach weh. Hier wird einem klar, … Wahnsinn, wenn sich diese so bemühen, muss da ja mehr Substanz dahinter sein. Also bemühe ich mich auch und es ist schön, auch unterwegs bei 9.000 km Entfernung, alle paar Tage was zu schreiben, sich auszutauschen, den anderen einzubinden und eingebunden zu werden und vielleicht sogar einmal im Monat zu telefonieren. Wow, das ist ein Unterschied – mehr Kontakt als meine vermeintlich guten bisherigen Freunde? Hier fühle ich mich angenommen. Zu mindestens jetzt. Wir werden sehen …

Und klar gibt es auch Mischformen, wie überall, und klar passt nicht jeder in eine ganz bestimmte Gruppe. Das war nur der Versuch es zu „vereinfachen“, um es mir auch selbst zu verdeutlichen.

Warum jetzt? Warum nicht vor drei Jahren? Ich glaube es dauert wahnsinnig lange, bis man in dem echten Langzeitreisegefühl angekommen ist. Bei uns vielleicht noch länger, weil dabei auch die individuelle Reise-Situation eine Rolle spielt. Ist man immer unterwegs oder nur ein paar Monate. Ist man nur ein paar Tage zu Hause oder länger und bindet sich wieder ein. Wie lange sind die Reisephasen? Gerade jetzt eben länger … da spürt man diese Feinheiten. Jetzt sind wir schon sieben Monate unterwegs, da haben wir früher schon wieder eine Reisepause eingelegt, aber jetzt dauert es nochmal ein paar Monate. Das ist ein großer Unterschied.

Natürlich haben wir alle unterschiedliche Lebensmodelle und Interessen. Niemand ist das bewusster als uns, mit unserem etwas „speziellen“ Lebensmodell sind wir oft irgendwie auch Außenseiter, aber sollte das gute Freundschaften nicht überdauern und bestehen? Sollte nicht gerade das zu gegenseitigem Interesse und Intensivierung führen?

Manchmal ergeben sich auch Missverständnisse durch die oft schriftliche Kommunikation oder bereits vorhandene Missstimmungen verschlimmern sich durch die Distanz, dann ist die Gefahr groß, dass die Freundschaft komplett kippt. Auch dieses Modell bin ich leid. Das fühlt sich besonders schlecht an. Und tut auch besonders weh. Man wird quasi „hängen gelassen“ ohne Aussprache, ohne Ehrlichkeit. Man weiß nicht, woran man ist, man weiß nicht, was man falsch gemacht hat.

Wir haben die soziale Fülle zu Hause verlassen. Freunde, Bekannte, Parties, Feste, Treffen, Einladungen, Besuche … – und sind jetzt in der sozialen Leere zurückgeblieben. Was ist es nun wirklich für mich Wert zu verfolgen? Ich möchte natürlich auch die individuellen Situationen berücksichtigen. Wer kann etwas mit unserem Leben anfangen? Wer hat Zeit und Interesse sich darüber Gedanken zu machen? Wer hat die Ambition für Freunde wirklich wichtig sein zu wollen …???…

Irgendwie wollen wir doch alle geliebt werden. Das lässt die Glückshormone fließen, dann ist die Welt in Ordnung. Ich weiß durch meine Yogaausbildung, dass das zu Problemen führt und Abhängigkeit erzeugt, und der Wunsch geliebt zu werden, Schwäche in sich birgt, indem man damit sich auch immer die Angepasstheit einkauft. Das wiederum widerspricht dem wahren Ich, dem wahren Sein. Die Liebe, die man wirklich braucht und nachhaltig ist, ist die Selbstliebe. Wenn das klar ist, dann passiert das nicht, was mir gerade passiert. Da habe ich sicher noch viel zu lernen.

Und schlussendlich bin ich dankbar, dann das was ich gerade erlebe, ist eine Art der Weiterentwicklung, des Sehens, des differenziert seins. Ich fühle gleichzeitig, dass ich damit dieser Selbstliebe viel näher komme!

16 Kommentare

  1. Thank you for sharing 🙏🏼 I wonder a lot I how these things are when you really go out on the road for a long time like you both do.

    I think that unconditional friends can be counted on only one hand … they are the only ones that go with you through a lifetime and alway wille be there in good and bad times, if frequent or just once or twice a year… The rest wil accompany you on a part of your journey trough life and than go there own way again… That’s how life is. Sometimes that hurts and it makes me sad too.

    I find it now sometimes already difficult to keep in close contact with all my friends and I am still at home most of the time … so I am wondering how this will be when we go for a roadtrip for a year or longer …. But “it is what it is” staying at home and stay in same routine is no garanty that friendships wil last for ever. Friends and family make there own choices in life and follow there own roads, that’s how it’s supposed to be …
    Take care 🥰🙏🏼🍀 Have a merry Christmas and a great 2024

    1. Hi Sylvia!
      Thank you for your nice words.
      Yes, that’s life. Indeed. It is so great to get in touch with all the people, like you, with this topic. Just that it is worth it.
      Merry Christmas to you too!
      Karin

  2. Liebe Karin,
    vielen Dank für deine feinfühligen Worte. Deine Gedanken kann ich gut nachempfinden, weil ich diese Gefühle nur zu gut kenne.

    Langzeitreisen schenken uns ungeahnte Erlebnisse, in den wir von Landschaften, Stimmungen, Menschen verzaubert werden. In diesen Momenten bekommen wir eine Ahnung von der universellen Fülle.
    Und dann sind da die Momente, in denen wir ganz auf uns selbst zurückgeworfen sind und wir die universelle Fülle in uns selbst wahrnehmen dürfen.

    Lao Tse sagt: „Das einzig Unveränderliche ist die Veränderung“. Das gilt für unser Leben wie für unsere Beziehungen. Es ist ein Vergehen und immer wieder ein neues Entstehen.

    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Verbindung zu meinen Herzensmenschen über die Jahre mit den äußeren Veränderungen mitfließt. Alle anderen dürfen ihrem neuen Weg folgen, so wie ich meinem folge, und ich bin dankbar für die Zeit, in der wir gemeinsam ein Stück des Weges gegangen sind. Vielleicht führen unsere Pfade an einer anderen Stelle wieder zusammen – wer weiß.

    Go with the flow.

    Von Herzen,
    Petra

    1. Vielen Dank Petra – Antwort per E-Mail …

  3. Hallo Karin, hallo Oliver,

    ja, da hast Du Recht, die Selbstliebe hilft ganz wunderbar, aber es ist ein doch langer Weg bis man das erkennt. Ich weiß wie es ist, wenn Du denkst was machen die anderen jetzt, den früher hat sich vielleicht vieles bei Euch (oder bei mir) abgespielt aber heute? Ich bin seit 10 Jahren alleine und seit 6 Jahren geschieden und seit 5 Jahren wohne ich nur 5 Kilometer von dem ehemaligen Wohnort entfernt, aber die Freunde und gerade die für die man immer da war die sind auf einmal ganz rar. Wenn ich von mir aus nicht manchmal die Initiative ergreifen würde, würde es nicht auffallen, dass es mich noch gibt. Deshalb sind wirklich nur die engsten Freunde übrig geblieben und das ist die Familie und bei mir ganz besonders meine Schwester und meine Kinder. Noch eine schöne Zeit für Euch zwei. LG Uwe

    1. Vielen Dank für Deine Gedanken, Uwe. Menschen zu finden, die es wirklich und ehrlich gut mit einem meinen, ist nicht einfach, in der Tat. Aber es gibt sie … 😉

  4. Whow, das ist doch mal ein tiefer Blick in die Seele von Langzeitreisenden. Respekt für die offenen Worte und die selbstreflektion.
    Einen Rat habe ich da nicht wirklich, nur wenn es einseitig wird kann man die Freundschaft auch lassen.
    Klar mit 6 Jahren Weltreise auf hoechstem Niveau wird es schwierig noch Gleichgesinnte zu finden die noch mehr erlebet haben.

    Ich beneide euch für die Freiheiten die ihr habt und sicherlich wird es eine Zeit nach dem reisen geben die dann auch mit den neuen Umständen wieder feste Freunde bringen wird!
    # baluontour96

    Gruss Pius

    1. Hallo Pius,
      ja, manchmal hab ich das Bedürfnis es zu teilen, gerade bei Themen, die nicht gern gesagt oder diskutiert werden. Das wirft ja auch Fragen im Freundeskreis auf ;-). Es ist gut so, dass es sich „reduziert“.
      Liebe Grüße
      Karin

  5. Hallo Karin,
    Hallo Oliver,

    wir verfolgen euren Block schon ziemlich von Anfang an. Ich finde es ehrlich und mutig auch über diese Seiten der Langzeitreisenden zu berichten. Meiner Frau ging es schon nach 9 Monaten ! Reisen genauso. Aber andererseits zeigt auch „Heimweh“ das man trotz aller Abenteuerlust noch Heimatverbunden ist und somit auch noch eine Heimat hat. Vor allem zur Weihnachtszeit wird man dann doch eher sentimental. Wir waren einmal über Weihnachten und Silvester in Australien / Tasmanien. Seither planen wir unsere Reisen so, das wir an Weihnachten zu Hause sind 🙂
    Unsere Erfahrung hat auch gezeigt, das maximal eine Handvoll guter Freunde übrig bleibt, wenn man sich länger abmeldet. Dafür sind diese Freundschaften um so wertvoller geworden. Und man gewinnt auch wieder Freunde (Seelenverwandte) auf den Reisen hinzu.

    Wird es ganz schlimm und die Beziehung leidet darunter zu sehr…..ab in den Flieger und für eine Zeit auf Heimaturlaub gehen.
    Ich wünsche euch von Herzen alle Gute – bleibt gesund und genießt den Augenblick.

    Mein Motto: „Es ist gut, wie es ist, und es wird immer noch besser“

    Grüße aus dem verregneten Süddeutschland

    Bärbel & Stephan

    1. Hallo Ihr beiden,
      danke für Eure Nachricht und auch hier die ehrlichen Einblicke. Viele sagen „so wie ihr, das könnte ich nicht“. Ja, das ist eine Downside davon, die habt Ihr bzw. Deine Frau auch erlebt und ja besonders Weihnachten ist für mich auch schwer. Wir sind irgendwo in der Pampa, vermutlich Belize, aber eben nicht bei der Familie. Aber nächstes Jahr!!!
      In diesem Sinne: Ein frohes Fest!
      Liebe Grüße
      Karin

  6. Liebe Karin, „friends will be friends…“?
    Du hast so gefühlvoll und ehrlich darüber geschrieben, das finde ich bemerkenswert.
    Ich persönlich glaube, dass es Freundschaften gibt, die in bestimmten Lebensphasen sehr eng und sehr bedeutend sind, aber nicht alle von diesen Verbindungen sind auch wirkliche Herzensfreundschaften, die ein Leben lang halten. Und mit dem eigenen „Älterwerden“ kristallisiert sich das stärker heraus. Auch wir machen die Erfahrung, dass es Freunde gibt, die gut damit umgehen können, dass wir uns nur 1-2 x im Jahr sehen können und trotzdem sehr eng sind und andere, die den Wert einer Freundschaft am häufigen Zusammensein messen und sich zurückziehen, wenn wir dem nicht entsprechen können. Und was Du über neue Begegnungen schreibst, finde ich auch sehr spannend: ich glaube es lohnt sich immer, sich darauf einzulassen, wenn das Gefühl stimmt. Man muss mit allem rechnen, auch mit dem Guten! 🙂
    In freundschaftlicher Verbundenheit, eure Kiki & Markus

    1. Liebe Kiki,
      ja, ein wirklich schöner Schlusssatz von Dir. Das stimmt. Ich bin grundsätzlich auch eher positiv, deshalb „erschüttert“ mich ja eine solche Erkenntnis ;-). Aber es ist gut so, und halb so schlimm, wie es vielleicht klingt, war vielleicht auch ein bisschen an der Zeit und die Reise zeigt ganz andere Dimensionen auf, als wenn man zu Hause ist. Es ist verrückt, dass gerade die guten Freunde bei einem Kontakt von „nur“ 1-2 x im Jahr nichts erschüttern kann und andere wiederum eine hohe Intensität benötigen und doch nie daran hinreichen. Diese Sensibilität, diese Feinheit in unseren Gefühlen zu entdecken – das mag ich so an unseren Reisen.
      Hoffentlich auf bald.
      Karin

  7. Liebe Karin, deine Worte kann ich gut nachvollziehen, stecke im Moment selber in Heimwehstimmung. Und das mit den Freunden könnte ich 1 zu 1 übernehmen. Umarmung

    1. So schön von Dir zu hören. Ja, auf der Piste zu sein ist nicht immer so einfach, wie es vielleicht aussieht, aber die Sensibilität, die daraus entsteht will ich keinesfalls missen. Das ist so klar, so fein. Jetzt an Weihnachten kommt das verstärkt hoch, denke ich. Umarme Dich zurück und für Euch ein Frohes Fest!

  8. Interesting perspective for having the initiative to take on such a journey.
    It’s wonderful that you share openly as I’ve enjoyed many of your posts.
    Friends come in all varieties. Knowing who is who early allows comfort in distance.
    Safe travels.

    1. Thank you!

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