2018KolumbienLandschaftenSüdamerika

La Guajira: Der abenteuerlichste und nördlichste Punkt Südamerikas

Nach den extrem schwülen Temperaturen in der Sumpflandschaft um Mompos herum, fahren wir auf die Halbinsel La Guajira, dem nördlichsten Fleck Südamerikas. Am südlichsten (Feuerland) und westlichsten Punkt (Küste in Nord-Peru südlich von Zorritos) waren wir in den letzten 8 Monaten schon und viel haben wir von den wenigen Reisenden, die sich in dieses „staatenlose“ Gebiet der Wayuu Indianer vorgewagt haben, über diese Region gehört bzw. gelesen: bittere Armut, unzählige Straßensperren mit bettelnden Kindern, Überfälle, Schlammlöcher in denen ganze Jeeps komplett und ohne Vorwarnung direkt neben der Spur versinken, Benzin- und Menschenschmuggel von Venezuela etc. Weder der kolumbianische Staat, zu dem die Provinz La Guajira offiziell gehört, noch Venezuela (die haben bekanntlich ganz andere Probleme) fühlen sich hier verantwortlich und die Wayuus führen somit Ihr Eigenleben und sind stolz, dass es schon den Spaniern nicht gelungen ist, in diesem Landstrich für Ordnung zu sorgen.

Irgendwie reizt es uns und vielleicht finden wir hier das ursprüngliche Abenteuer, was wir bisher in Südamerika etwas vermisst haben? Um es vorweg zu nehmen: wir haben es gefunden, aber diesmal sind wir nicht mit Shujaa in einer Lagune oder einem Schlammloch abgesoffen.

Alles ist auf einen Schlag anders: es gibt keine Tankstellen mehr, wo man Tanken oder Wasser auffüllen kann, sondern nur noch Straßenstände mit Kanistern mit aus Venezuela geschmuggeltem Benzin. Keine wirkliche Option, wenn man bis zu 800 Liter betanken kann. Überall ist es dreckig und es wird gebettelt und bei selbsterrichteten Straßensperren, die Hand aufgehalten – bevorzugt von kleinen Kindern, die somit leider schon früh konditioniert werden, lieber zu betteln als zur Schule zu gehen. Teilweise gibt es die Straßensperren alle 50 Meter, dementsprechend langsam geht es voran. Die meisten Kinder lassen jedoch die Seile im letzten Augenblick fallen, wenn Shujaa keine Anstalten macht abzubremsen. Die Menschen hier sind extrem arm und Karin nimmt es etwas mit, weil das doch etwas unerwartet kam.

Wir fahren zunächst, durch dieses unwirtliche Umfeld mit dichten Kakteen-Wüsten, zum Cabo de la Vela, einem abgelegenen Kite- und Windsurf-Hotspot. Dort hat ein Deutsch-Kolumbianisches Pärchen eine nette Bar samt Surf- und Kiteequipment und ein paar Hängematten als Übernachtungsmöglichkeit aufgebaut. Wir dürfen Shujaa in den Windschatten des Surfschuppens stellen, da dort ein wirklich harter Wind weht.

Vieles, einschließlich der dunklen Hautfarbe und der farbigen Gewänder der Wayuu Frauen, erinnert uns an Schwarzafrika, welch ein Kontrast zu dem ansonsten so zivilen Kolumbien ist. Vielleicht übt die Gegend auch deswegen einen solchen Reiz auf uns aus.

Man rät uns, einen Jeep mit Fahrer für die am nächsten Tag geplante Fahrt zum nördlichsten Punkt Südamerikas – der Punta Gallenas – zu nehmen. Da die Pisten schwer zu finden sind, die Autos gerne im Schlamm versinken und die Straßensperren nervig sind, entschließen wir uns schweren Herzens (schließlich sind wir ja Individual-Touristen) dieses Angebot anzunehmen. Ein weiser Entschluss, wie sich herausstellt, denn der nächste Tag wird auch ohne selbst zu fahren, stressig genug: um 5.00 h morgens holt uns der Fahrer ab, es regnet in Strömen und schnell fahren bzw. schlingern wir durch tiefsten Matsch gen Norden. Unser Fahrer – ein Wayuu – weicht keinen Zentimeter von der Piste ab, auch nicht bei dem raren Gegenverkehr, um beispielsweise auszuweichen. Er sagt, dass er dann sofort festsitzen würde. Bei den Straßensperren verteilt er viele Süßigkeiten an die Kinder und lässt den generösen Macho rauskehren, nach dem Motto „ich als Touristen-Fahrer habe es geschafft“, und zählt die Bonbons ab. In einem wahnsinnigen Tempo rasen wir über mittlerweile komplett regennasse Salzseen und ich denke mehrmals, wie gut es Shujaa doch mit einem so vernünftigen und rücksichtsvollen Fahrer angetroffen hat.

Nach über 3,5 Stunden und einer kurzen, die Anreise stark abkürzenden Bootsfahrt durch Mangroven-Arme, haben wir es fast geschafft: wir steigen in einen anderen Jeep um und nach weiteren 30 Minuten sind wir da: Punta Gallenas, der nördlichste Punkt Südamerikas. Es ist schon ein intensives Gefühl für uns, nach nur 8 Monaten den südamerikanischen Kontinent auf 35.000 km kreuz und quer durchfahren zu haben, und jetzt in diesem wunderschönen Niemandsland in die Karibik zu schauen. Irgendwie sind wir auch stolz und zufrieden – ein erstes wesentliches Etappenziel ist erreicht. Von nun an geht es wieder südwärts und über Ecuador und Peru nach Brasilien entlang der Transamazonica. Das nächste Abenteuer kann kommen. Die Rückfahrt nach Cabo de la Vela ist trotz mittlerweile abgetrockneten Pisten nicht minder anstrengend. Abends schmecken dafür die Drinks an unserem Stellplatz direkt am Strand umso besser.

Die weitere südliche Küste in der Provinz La Guajira ist nicht minder schön: es ist grüner, die ersten Palmen wachsen und überall haben wir Traum-Stellplätze direkt am Strand und sind völlig für uns alleine. Nur starker Wind, heiße Sonne, türkisfarbenes Meer und ein paar einheimische Fischer, die uns mit frischem Fisch versorgen. So haben wir uns die Karibik vorgestellt.

2 Kommentare

  1. Hi Ihr beiden,
    da solltet Ihr auf jeden Fall nicht versäumen, einen Kite-Kurs zu machen 🙂
    Viele Grüße
    Henning

    1. Kommt noch, … da möchten wir uns mehr Zeit nehmen und uns einen noch schöneren Platz aussuchen 😉

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