2018ArgentinienHighlightsSüdamerika

Ein langjähriger Traum geht in Erfüllung: Mitten dabei bei der Rallye Dakar

Es war schon immer ein Traum von mir bei der Rallye Dakar so mal „ganz mittendrin“ dabei zu sein. Wir hatten diese vage Option mal grob andiskutiert, auf unserem Abschiedsfest, mit unseren Bekannten bei MAN (den sogenannten „Echter-Brüdern“, die dort den Service-Truck für das Werksteam fahren), aber gemäß unserer damaligen Reiseplanung wären wir noch viel zu weit südlich unterwegs gewesen und außerdem war die genaue diesjährige Dakar-Route durch Südamerika noch nicht veröffentlicht. Zu Beginn dieses Jahres begann sich diese grobe Idee sukzessive zu konkretisieren: nach unserer neuesten Reiserouten-Hochrechnung würden wir genau die nunmehr vorhandene Route der Dakar-Rallye in Nord-Argentinien auf Höhe von Chilecito passieren.

Obwohl es sehr schwierig ist in das hermetisch abgeriegelte Biwak – dem Fahrerlager – zu kommen, wurde schon bald klar, dass Hans Echter (Mitglied des MAN Service Teams bei der Dakar) dies vor Ort für uns organisieren könnte…. und die Spannung stieg von Tag zu Tag: Kommen Hans und sein Team rechtzeitig ins Biwak? Finden wir uns überhaupt zusammen (bei der quasi nicht existenten Internet-/Mobilfunkverbindung in Nord-Argentinien)? Werden wir überhaupt in die Nähe des Biwaks vorgelassen, aufgrund Security etc.?

Wie häufig, läuft dann alles super glatt: wir suchen gerade einen Parkplatz in der Nähe des Biwaks, da kommt uns Hans auch schon entgegen – er hatte uns kommen sehen – und überreicht uns unsere Team-Einlass-Bändchen: Im Biwak werden wir direkt mit ein paar gut gekühlten bayerischen Weißbieren vom gesamten MAN Serviceteam empfangen und wir fangen an zu quatschen. Es ist erst früher Nachmittag und die Race-Fahrzeuge sind noch nicht im Biwak angekommen, zudem war die Etappe für die Servicefahrzeuge heute recht kurz…. Also alles sehr entspannt.

Da es für Hans schon die 12. Dakar im Serviceteam ist und auch seine Kollegen alles alte Dakar-Hasen sind, sind sie überall bekannt und viele Leute schauen mal so vorbei. Der technische Dakar-Inspekteur (der für die Einhaltung der Regeln bei Fahrzeugen und im Service zuständig ist) kommt ebenfalls vorbei und alle sind an uns, unserer Weltreise und Shujaa interessiert. Nach einer halben Stunde kommt der technische Inspekteur zurück und hat – wir selber und alle im MAN-Team können es gar nicht glauben – für Shujaa eine Einfahrtsgenehmigung ins Biwak organisiert. Wir gehen raus, montieren den Aufkleber mit der Genehmigung an die Windschutzscheibe (der wohl auch noch lange als „Andenken“ auf Shujaa’s kleben bleiben wird) und dann kommt einer der für mich bewegtesten Momente der letzten Jahre: Wir fahren langsam von hinten durch die sich um den Biwak Eingang versammelte Menschenmenge, alle drehen sich zu uns um, wir werden von allen Seiten fotografiert, die Security winkt uns durch und wir fahren durch die mit vielen Fahnen dekorierte Einfahrtstrasse ins Biwak. Dann stellen wir uns in unmittelbare Nähe des MAN Teams. Mir läuft es eiskalt den Rücken runter; wir sind mit unserem Baby Shujaa, unserer Heimat, im Herzen der Dakar angekommen.

Obwohl mittlerweile immer mehr Race Autos in das Biwak kommen, versammeln sich viele Menschen um Shujaa herum und wir sind sicher eines der meist fotografiertesten Fahrzeuge an diesem Tag – Shujaa sieht nunmal irgendwie anders aus als die typischen Race-Trucks und Service-Fahrzeuge. Wir gehen mit dem gesamten MAN Serviceteam Abendessen, ratschen über die „guten alten Zeiten“, als die Rallye noch in Afrika stattgefunden hat, und damit auch für Serviceteams die Tagesetappen eine wahre Herausforderung darstellten, und warten, dass nun auch das MAN Race-Team ins Biwak eintrifft. Als erstes treffen normalerweise Motorräder und Quads, dann die PKWs und dann die LKWs im Biwak ein. Mathias Behringer, der MAN Werksfahrer, hat zudem den Ruf eines „Robin Hoods“ der Dakar, da er häufig unterwegs anhält, zum Helfen oder gar Fahrzeuge abschleppt….. also kann es dauern und wir haben weiterhin eine tolle Zeit. Ich gehe mehrmals durch das mittlerweile flutlichthelle und geschäftige Biwak und genieße die tolle, einzigartige Atmosphäre. Gegen 23:30 h kommt Mathias Behringer endlich ins Biwak, die entspannte Atmosphäre im Serviceteam ist beendet, da es einiges zu reparieren gilt: beim Eintauchen in ein ausgetrocknetes Bachbett hat sich Mathias heute die Stoßstange abgerissen, ein Reifen muss geflickt werden und irgendetwas an der Vorderachse stimmt auch nicht. Völlig unprätentiös gesellt sich Mathias bald nach der Ankunft zu uns, wir quatschen über die Herausforderung der Strecke und mit seinem Navigator besprechen wir, wo am nächsten Tag wir am besten die Rallye beobachten können. Das einfachste erscheint uns, gleich am nächsten Morgen hinter Mathias die gut 100 km zum Startpunkt der Rallye herzufahren und dort alles „life“ mitzubekommen. Anschließend kommt noch das Team vorbei, das heute in den Genuss von Mathias Hilfe kam, und bedanke sich mit einer Unmenge an Bierdosen und Energydrinks. Um 2:00 h nachts – überall wird noch geschraubt und es ist ein Höllenlärm – gehen wir ins Bett, um 5:15 h stehen wir wieder auf, um hinter Mathias, wie vereinbart, zum Startpunkt der nächsten Etappe herzufahren.

Hier fangen die Probleme jedoch an: als Nicht-Race Truck können wir nicht beim Hauptausgang des Biwaks rausfahren, wie geplant (dies findet Shujaa und Fahrer gar nicht lustig…), sondern am Seiteneingang. Als wir uns endlich nach vorne gekämpft haben, ist Mathias natürlich schon weg. Wir hängen uns daher hinter zwei Kamasz Race Trucks: Kamasz ist mit seinen 4 LKWs seit vielen Jahren in der LKW Dakar führend, aufgrund reichlich Sponsoring durch den russischen Staat und europäischer Technik, z. B. MAN Motoren. Was kann da schon schiefgehen, wenn wir dem führenden Team hinterher durch die Nacht zum Startpunkt folgen. Wieder ein sehr bewegendes Erlebnis: im Dunkeln blitzen überall die Handys der Zuschauer aus dem Straßengraben auf, an Kreuzungen hat die Polizei alles abgesperrt, so dass wir in High-Speed hinter den Kamasz durch die dunkle Nacht hinterher rasen.

Obwohl die Wertung noch gar nicht angefangen hat, wird tüchtig Gas gegeben: Shujaa gibt alles…. Ich wusste gar nicht, dass wir so schnell sein können. Unser Verbrauch geht auf über 60 Liter/100 km hoch und doch setzen sich die Kamasz Race Trucks mit doppelt so viel Leistung und halb so viel Gewicht immer mehr ab. Irgendwann in der Ebene haben wir einen der Kamasz wieder eingeholt. Nur seltsam, irgendwie hätte hier schon längst der Start sein müssen, aber wir fahren hochkonzentriert mit High-Speed weiter durch das Morgengrauen. Als der Kamasz dann noch zu einer Tankstelle fährt, stimmt irgendwas nicht. Wir fragen an der Tankstelle nach und erfahren, dass wir schon vor 40 km am Startpunkt vorbeigerauscht sind und direkt hier ein Strecken-/Servicepunkt wäre. Da es mittlerweile zu spät für die Rückfahrt zum Startpunkt ist, positionieren wir uns am Straßenrand in unmittelbarer Nähe des Peugeot Serviceteams und frühstücken erst einmal.

Nach einer Stunde kommen die ersten Race PKWs vorbei (Peugeot ist auch dieses Jahr wieder führend), die früher als die LKWs gestartet sind. Wir bekommen faszinierende Service-Szenen an der Strecke mit und direkt an uns heizen die Fahrzeuge mit Highspeed vorbei. Nach gut 3 Stunden kommen auch unsere beiden MAN Servicetrucks vorbei und wir fahren auf eine Wiese zum verabredeten Fotoshooting. Neben Wegproviant (Senfgurken und Bayrische Würste) bekommen wir noch T-Shirts als Andenken geschenkt. Obwohl wir nur 24 Stunden zusammen waren, fällt der Abschied schwer, wir fühlten uns schon als integraler Bestandteil des Teams und obwohl ich eher selten sentimental bin, kommen hier doch meine Gefühle hoch. Die Serviceteams fahren weiter gen Süden zum nächsten Biwak, wir drehen nach Norden ab und schlagen bald einen Übernachtungsplatz auf, um uns von den prägenden Erlebnissen der letzten 24 Stunden zu erholen.

In den nächsten Tagen denke ich noch sehr viel über die Dakar nach und mir wird nach und nach klar: Ich habe ein neues Ziel vor Augen. Eines Tages in meinem Leben möchte ich mit einem Race Truck und idealerweise mit einem eigenen Service-Team die Dakar bestreiten. Natürlich ist dies zunächst nur ein Traum, aber auch vor 50 aufzuhören zu arbeiten und eine Weltreise mit einem Expeditionsmobil zu machen hat mit einem Traum angefangen. Wir werden sehen.

6 Kommentare

  1. sensationelles Erlebnis. Ein echter Männertraum!

    1. Nicht nur Männertraum … 😉 ok, ok, ich bin nicht ganz so verrückt wie Oliver, aber als Navigator würde ich schon auch mal mitfahren. Ist sicher cool.

  2. Absolut genial! Da wäre ich ebenfalls gerne dabei gewesen 🙂

  3. Freut mich sehr für Euch, dass das geklappt hat. Das war sicherlich toll – Alles Gute weiterhin!

  4. MEGACOOL -was für ein Erlebnis!
    Wir fiebern immer mit und freuen uns mit Euch, wie viel Spannendes und Kontrastreiches Ihr erleben dürft…k&m

    1. Mensch, Du bist aber schnell 😉 DANKE!!!

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