Nachdem sowohl die Lagunenroute als auch der Salar de Uyuni zweifelsohne absolute Höhepunkte unser bisherigen, über 4-monatigen Reise durch Süd-Amerika waren, waren wir sehr gespannt auf das sonstige Bolivien. Die Reputation des Landes ist unter Overlandern nicht die Beste: korrupte Polizei, permanente Straßen-Sperren durch Streiks und Protestkundgebungen, sehr problematische Treibstoffversorgung für Ausländer usw.
Zunächst fahren wir nach Potosi – einer Bergbaustadt gelegen auf über 4.000 Meter – mit ihrem bekannten Berg „Cerro Rico“. Dieser wird seit über 400 Jahren wegen seiner Bodenschätze (früher primär Silber, heutzutage primär Zinn) ausgebeutet. Es gibt insgesamt ca. 400 inaktive und 180 aktive Stollen und es ist nur eine Frage der Zeit wann der ganze löchrige Berg in sich zusammenfällt. Wir hoffen, dass dies nicht gerade bei unserem Besuch passiert. Eine von einem ehemaligen Mienenarbeiter geführte Wanderung durch das Stollenlabyrinth, einem Besuch einer Statue des Bergbau-Gott „El Tio“ sowie eine Besichtigung der nachgelagerten Weiterverarbeitungsprozesse bringt uns das extrem widrige Umfeld der Bergbauarbeiter in authentischer Weise näher. Sicher kein vergnügungssteuerpflichtiger Job, auch wenn die Verdienstmöglichkeiten nach wie vor sehr gut sind.
Tief beindruckt fahren wir weiter nach Sucre – der schönsten Stadt Boliviens mit einem großen Markt, vielen kolonialen Gebäuden und auf angenehmen 3.000 Meter liegend. So können wir die Stadt erkunden ohne permanent am Limit unserer körperlichen Leistungsfähigkeit zu liegen.
Die meisten Overlander fahren von hier direkt weiter Richtung La Paz, wir wollen aber noch den bolivianischen Bergregenwald sowie den Tiefland-Dschungel erkunden und fahren daher über teilweise wirklich herausfordernde Pisten in den Nationalpark Amboro. Zunächst machen wir auf der Südseite auf angenehmen 2.000-2.500 Metern eine tolle, geführte Wanderung durch die dortigen Bergregenwälder mit meterhohen Farnen und sprudelnden Wasserfällen – man kommt sich vor wie im Paradies. Zudem hat der dortige Ort Samaipata richtig Flair und gefällt uns sehr gut. Wir bekommen den dortigen Karneval mit und es gibt richtig stylische Cafes die mit ihrem Ambiente auch nach Mallorca passen würden. Nur die Tatsache, dass mitten in der Nacht ein scheinbar betrunkener Autofahrer unser an einem Fußballplatz in der Ecke geparkter Shujaa rammt, trübt etwas die Atmosphäre. Obwohl es gewaltig rummst haben wir – kaum zu glauben – nur ein paar Kratzer am Staufachkasten. Shujaa ist halt ein wahrer Held und sehr robust.
Danach geht es über Santa Cruz auf die Nordseite des Nationalparks Amboro, der schon zum Tieflandbecken des Amazonas gehört. Auch dort machen wir eine geführte Exkursion. Aufgrund der Regenzeit und den damit verbundenen hohen Wasserständen der Flüsse müssen wir nach 1,5 Stunden Geländewagenfahrt auf Pferde umsteigen, welche uns in weiteren 1,5 Stunden in das Dschungel-Camp bringen, von wo wir aus mehrstündige Wanderungen unternehmen. Feuchtigkeit, typische Dschungelgeräusche, seltene Vögel, wunderschöne Schmetterlinge, fleißige Ameisen mit riesigen Blättern auf dem Rücken. Alles was man sich zum Thema Dschungel so vorstellt. Auch ein ständiges Juckgefühl, wenn auch nur im Kopf, wegen all dem Kleingetier. Waren wir wenige Tage zuvor noch auf Höhen von über 4.000 Metern, haben wir jetzt mit fast 100% Luftfeuchtigkeit und tropischen Temperaturen zu kämpfen, aber auch dieser lange Tagesausflug ist alle Strapazen wert.
Weiter geht es entlang der sogenannten „Tieflandroute“ (welche viele in den Amazonas entwässernden Flüsse überquert) gen Norden, innerhalb von nur 80 km geht es wieder auf 3.000 Meter durch die dschungelmäßigen Yungas auf grottenschlechter und durch die Regenzeit aufgeweichten Pisten über Cochabamba nach La Paz. Auf der Suche nach einem abendlichen Stellplatz in der überschwemmten Landschaft ziehen wir noch ein festgefahrenes Taxi aus dem Morast. Diese Bergeaktion in Kombination mit dem nächtlichen Regen führt leider dazu, dass wir uns am Morgen erneut tief eingraben und trotz Einsatz von Schaufeln und Sandblechen nur mit der Hilfe eines Baggers und eines Traktors wieder flott kommen. Ärgerlich, aber immerhin dauerte diese Aktion im Gegensatz zur Lagune Llancanelo in Nord-Argentinien nur 3 Stunden und nicht 3 Tage.
Erschöpft kommen wir in La Paz an und beziehen einen Stellplatz im Hof des Hotels Oberland – ein von einem Schweizer geführten Hotel und beliebten Treffpunkt von Overlandern. Am Abend essen wir – ganz „typisch“ für La Paz – ein Schweizer Käsefondue. Trotz intensivem anschließendem Genuss unseres von zu Hause mitgebrachten „Blutwurzes“ geht es Karin am nächsten Morgen sehr schlecht und – nachdem nach zwei Tagen keine Besserung eingetreten ist und auch das Fieber nicht runtergehen will – geht sie endlich widerwillig zum Arzt. Salmonellen und wir rätseln wo sie sich das eingefangen hat, haben wir doch beide fast immer das Gleiche gegessen.
Die Stadtbesichtigung von La Paz ist daher für Karin sehr anstrengend, aber nicht minder faszinierend. La Paz hat mittlerweile das weltweit größte urbane Seilbahn-Gondel-System (gebaut vom österreichischen Hersteller Doppelmayr) welches nicht nur zur Überwindung der über 1.000 Meter Höhendifferenz zwischen dem tiefsten und höchsten Punkt der Stadt dient, sondern auch um die chronisch überlasteten Straßen zu entlasten. El Presidente (Evo Morales) ist mächtig stolz, dass sein doch eher zur dritten Welt zählendes Land in diesem Punkt „Weltmarkführer“ ist. Wir sind froh, da sich damit das Sightseeing auf relativ entspannte Art bewerkstelligen lässt. Leider geht es Karin auch am dritten Tag noch nicht besser, so dass ich leider die ultimative Challenge – mit dem Mountainbike die „Straße des Todes“ 4.000 Höhenmeter abwärts – alleine angehen muss.
Am letzten Tag in La Paz, als die Antibiotika endlich wirken, gehen wir doch noch in ein erstklassiges Restaurant (Gustu), wieder eines von Karins „Weihnachts-Liste 2016“. Und eines aus dem Ranking „50 Best of South America“. Unglaublich kreative Küche und das Beste was wir bisher auf der Reise hatten.