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Abenteuer Angola: durch das Baobab-Land zum Kongo-Fluss

Auf Angola sind wir richtig gespannt: nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg kam das geschundene, aber rohstoffreiche Land so langsam wieder auf die Beine, bevor der signifikante Ölpreisrückgang 2015/2016 die Wirtschaft erneut arg in Mittleidenschaft zog. Tourismus ist noch völlig unbekannt: so gibt es z. B. nur einen einzigen Reiseführer und den auch erst in der dritten Auflage 😉; bis vor gut einem Jahr gab es ein Touristen-Visum nur mit großem Aufwand (Einladungsschreiben etc.) und nur im Heimatland. Doch seit Präsident Lorenco 2018 an die Macht kam, wendet sich einiges langsam zum Positiven: die Visa kann man nun online beantragen und mit dem Aufbau des Tourismus will man die Abhängigkeit von Öl und Gas langfristig etwas reduzieren, die Korruption geht langsam zurück (wenn auch Angola immer noch zu den korruptesten Ländern der Welt gehört) und man nimmt Kredite nicht mehr nur von den Chinesen auf (die sich aus allen innenpolitischen Themen der Kreditnehmer bekanntlich völlig raushalten und sich als Gegenleistungen lieber langfristige Öllieferungen sichern) sondern auch vom IWF – mit entsprechend höheren Transparenzanforderungen an Mittelverwendung etc. Schaun wir mal, wie lange das Establishment das alles noch so mitmacht….

Wir reisen jedenfalls in nur 2,5 Stunden an der Grenze Santa Clara von Namibia nach Angola ein (davon geht 1 Stunde auf die hier ziemlich unorganisierte Ausreise aus Namibia). Alles läuft korrekt ab und der e-visa Prozess funktioniert erstaunlich gut. Der Geldautomat spuckt angolanische Kwanza aus und eine SIM Karte von Unitel erstehen wir auch direkt an der Grenze bei englischsprechenden Verkäufern. Soweit alles easy.

Die ersten 400 km Richtung Nord-West zur Provinzhauptstadt Lubango passieren wir schnell: die berüchtigten angolanischen Straßen sind zumindest auf dieser Strecke in einem Top-Zustand. Nur die zahlreichen zerbombten Panzer und sonstiges verrostetes Militärgerät am Straßenrand zeugen davon, dass hier bis 2002 ein fürchterlicher Bürgerkrieg herrschte, unterstützt von den Parteien des Kalten Krieges (selbst Kuba hatte zeitweilig über 50.000 Soldaten entsandt). Lubango selbst ist, wie die meisten angolanischen Städte, nicht fürchterlich aufregend. Dafür besitzt es aber eine in Anlehnung an Rio erbaute Christus-Statue und vor allem eine über 1.000 Meter, gen Westen in die Namib-Wüste, abfallende Steilkante: Tundavalia. Hier genießen wir Traumblicke von unserem exponierten Stellplatz aus.

Über den beeindruckenden Serra de Leba Pass geht es hinab in die angolanische Namibwüste mit ihren außergewöhnlichen Sandsteinformationen inmitten grüner Oasen…. Schon anders als die Namibwüste in Namiba. Angola ist hier nur sehr dünn besiedelt. In einsamst gelegenen Fischerdörfern entlang der Steilküste scheint die Zeit stehen geblieben zu sein: außer dem LKW zum Abtransport der Fische, wenn der Kühlcontainer voll ist, kommt hier keiner vorbei. Die Menschen sind für uns viel schwerer greif- bzw. lesbar als in allen anderen bisher besuchten Ländern: sie sind sehr zurückgenommen und ignorieren uns fast immer völlig, dennoch stolz (betteln kaum) und lächeln so gut wie nie. Man muss sie aktiv ansprechen (was gegeben unserer quasi nicht vorhandenen Portugiesisch-Kenntnisse schwierig ist), um überhaupt irgendeine Reaktion zu bekommen. Dafür kann man überall problemlos wild kampieren und keiner interessiert sich für einen….

Entlang der Küste fahren wir immer weiter gen Norden, gehen stylisch in Lobito essen und besuchen die Binga-Wasserfälle. Der Kissama N.P. südlich von Luanda (völlig unbekannt und der einzige N.P Angolas mit wenigstens etwas Infrastruktur) überrascht uns sehr positiv: die grüne Landschaft mit unzähligen Baobabs und großen „Akazien-Kakteen“ gibt dem Park eine ganz spezielle Mystik, welche vielen bekannten Parks mittlerweile abhanden gekommen ist. Auch die im Bürgerkrieg völlig ausgerottete Tierwelt kann sich wieder sehen lassen: In der sogenannten Operation „Arche Noah“ wurden von Namiba, Botswana und Süd-Afrika mittels riesiger russischer Transportflugzeuge Elefanten, Giraffen, Gnus, Zebras etc. eingeflogen und erfolgreich dort angesiedelt. Den Tieren scheint es in diesem tollen Umfeld sichtlich gut zu gehen und dementsprechend stark vermehren sie sich. Apropos Baobab: der Großteil des Landes ist durchzogen von dichten Baobab-Wäldern. Für uns ist Angola DAS Baobab-Land, obwohl man in Namibia schon bei einem die Kamera gezückt hat.

Von Luanda waren uns nur Vorurteile bekannt: Moloch mit extremem Müll und Verkehr, teuerste Stadt der Welt, extremer Gegensatz von Reich und Arm. Wir verbringen einen Tag bzw. Nacht dort. Teils stimmen die Vorurteile (extremer Dreck wie wir ihn noch nirgendwo in dem Ausmaß gesehen haben), teils auch nicht (Preisniveau ist nach der Ölkrise auf deutschem Großstadt-Niveau, aber weit von internationalem Level entfernt, Verkehr ist weniger schlimm als in München). Jedenfalls ist Luanda ziemlich hässlich und bietet kaum Highlights…. Aber wir waren halt neugierig und jetzt haben wir uns unsere eigene Meinung gebildet. Die Beachrestaurants auf der vorgelagerten Ilha können sich allerdings sehen lassen.

Auch in Angola sind wir auf den insgesamt mittlerweile recht guten Straßen deutlich schneller unterwegs als geplant. So entscheiden wir uns ganz in den Norden zu fahren, bis an das Delta des Grenzflusses Kongo, dem zweitgrößten Fluss Afrikas. Das Delta erstreckt sich bei der Stadt Soyo auf bis zu 20 km Breite…. umgeben von dichtem Dschungel, Mangroven und einer riesigen und ziemlich hässlichen, für 10 Mrd. US$ erbauten, Flüssiggas-Anlage. Für uns übt der Kongo wie auch das ganze Land Angola eine ungemeine Faszination aus: hier gibt es noch das wirkliche, wilde Schwarz-Afrika in authentischster Form. Während unserer ganzen drei Wochen im Land sehen wir keinen einzigen ausländischen Touristen!

Von nur noch 6 Grad südlich des Äquators am Kongo orientieren wir uns wieder gen Süden, diesmal geht es aber mehr durch das Landesinnere. Wir besuchen mit den Calangula Wasserfällen, die – je nach Quelle – zweit- oder drittgrößten Fälle Afrikas, eingebettet in tropischer Natur. Die Piedras Negras, große und teilweise üppig bewachsene Granitfelsen, verströmen erneut viel Mystik aus, bevor es ins Hochland von Angola geht (wo u. a. das Wasser des Okavango Deltas herkommt). Die einstige Kornkammer Angolas ist im Bürgerkrieg stark in Mitleidenschaft gezogen worden und die Kriegsrelikte sehen wir hier besonders deutlich: nicht nur verrottete Panzer, sondern auch viele zerschossene Häuser aus der Kolonial-Zeit stammend. Diese könnte man mit relativ wenig Aufwand wieder bewohnbar machen, aber die Angolaner scheinen das kärgliche Dasein in ihren Lehmhütten zu bevorzugen.

Auf dem Land ist Angola recht dünn besiedelt, dafür ist der Großraum Luanda umso dichter bevölkert, neben der überall in Afrika herrschenden Landflucht, liegt das auch an der relativen Sicherheit, die Luanda während des Bürgerkrieges bot, und damit zu einer massenweisen Flucht aus den übrigen Landesteilen führte.

Wir schütteln immer wieder den Kopf über die so unterschiedlichen Straßenverhältnisse in Angola: auf der insgesamt sehr gut ausgebauten Haupt-Nord-Süd-Verbindung des Landes gibt es plötzlich mittendrin eine ca. 50 km lange Erdstraße in erbärmlichen Zustand. Glücklicherweise haben wir keinerlei Verkehr und es regnet nicht, ansonsten wäre ein „Transamazonica-Chaos“ vorprogrammiert. Riesige neue Brückenfundamente stehen mitten in der Landschaft, von einer entsprechenden Straße ist weit und breit nichts zu sehen. Im dünn besiedelten Grenzgebiet zum Kongo gibt es eine völlig überdimensionierte Autobahn, dann wieder Beton-Speedbumps, ohne Ankündigung und Markierung, nur weil 1 km weiter unten eine schmale Behelfsbrücke über einen kleinen Fluss geht. Man muss mit ständiger Konzentration fahren. Zudem sieht man alle paar km, trotz des extrem geringen Verkehrsaufkommens, LKWs oder Busse im Graben liegen: Rausziehen und Reparieren ist nicht, sie werden dem Verfall preisgegeben. Insbesondere die großen Schiffs-Container-Brücken scheinen besonders gern vom Lkw und damit von der Straße zu fallen. Zusammen mit den großen Distanzen zwischen den Sehenswürdigkeiten macht es dies recht anstrengend das Land zu bereisen. Ansprechende Infrastruktur fehlt zudem völlig.

Trotzdem sind wir froh Angola bereist zu haben, da dieses, mit Abstand ärmste aller bisher von uns bereisten Länder, eine ganz andere Perspektive und Erfahrung bietet. Glücklicherweise hatten wir keine Probleme mit Krankheiten oder mit Shujaa – denn dann kann dieses Land sicher extrem stressig werden.

5 Kommentare

  1. Hallo Nachbarn,

    bin gerade durch Zufall auf Eure Seite gestoßen.
    Ihr wart 2019 im November in Angola.
    Ich war 19 im Juni / Juli dort.
    Von Ruacana / Namibia nach Brazzaville / Kongo.
    Ich habe ähnliche Fotos, nur zerschossenes Kriegsmaterial habe ich keins gesehen.
    Hat mich gefreut.
    Arno Klug vom Starnberger See.

    1. Hallo Arno,
      wie schön, dass Du die gleiche Route gefahren bist. Für uns war das schon ein sehr spezielles Land. Und komisch und schade, dass Du es nicht bestätigen kannst. Aber macht ja nichts, jeder hat da seine eigenen Blicke auf Erlebnisse, was ja auch gut so ist.
      Liebe Grüße
      Karin & Oliver

  2. Sehr schöne Impressionen, vielen Dank!

  3. Die aufgespießten Pilze sind ja echt kreativ… 😊 Angola: welch denkwürdiger Abschluss eurer ersten Afrika-Etappe👍

  4. Danke für diesen tollen Einblick in das Land! Sehr ehrlich die Zeilen, sehr bewegend die Fotos. Insbesondere die Momentaufnahmen der Menschen sind extrem authentisch. Kann mir gut vorstellen, wie „nah“ Ihr Euch dem wahren (oder dem alten und vielfach auch vergangenen?) Afrika gefühlt habt…. und wirklich ein Glück, dass Shuuja mitgemacht hat! Genießt die letzten Tage noch, winterlich-kühle Grüße aus der Heimat, Monika

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