Noch bevor wir die eigentliche autonome Region Tibet (mit ihren ganzen Restriktionen für Reisende) erreichen, kommen wir durch immer stärker tibetisch geprägte Regionen: Mit den Klöstern Labrang und Kumbung besuchen wir die wichtigsten und größten buddhistischen Klöster außerhalb der tibetischen Kern-Provinz… faszinierend und eine völlig andere, viel kontemplativere Atmosphäre, vor allem mit den zahllosen Pilgern und praktizierenden Mönchen, welche die lärmenden chinesischen Touristen wohltuend in den Hintergrund drängen. Wir bekommen ein Vorgeschmack auf das, was uns im tibetischen Hochland noch erwarten wird, und freuen uns sehr!
Ein Abstecher zu den Binglingsi Grotten bringt uns fast wieder in unsere normale Overlander-Welt zurück: eine tolle und spektakuläre Anfahrt an diese sehr entlegene Lokation und ein ruhiger und einsamer Stellplatz ohne Reisebusse und Infrastruktur! Die Grotten selbst mit ihren 183 buddhistischen Skulpturengrotten wurden seit dem 4. Jhd. in die steilen Wände einer Schlucht oberhalb des gelben Flusses geschlagen und – aufgrund der einsamen Lage – erst 1952 wiederentdeckt. Dementsprechend imposant ist die gesamte Szenerie. Vor allem die steilen Berge, zusammen mit dem durch die Schlucht rauschenden Fluss, hätten wir so eher in Südchina und nicht am Rand zu Tibet erwartet.
In Golmud wird es dann ernst. Zunächst lassen wir uns hier einen Satz neuer Reifen montieren: das Angebot unschlagbar günstig und ich bin gespannt, wie sich der chinesische Giti-Reifen im Vergleich zu unserem geschätzten Conti Reifen so schlagen wird. Zwar hätten die alten Reifen noch sicher 10.000 km gehalten, aber ein Ersatz in Indien bzw. später in Ost-Afrika wäre deutlich teurer gekommen. Wir treffen zudem die – wie sich später rausstellen sollte – folgenschwere Entscheidung, unsere Tour, trotz nach wie vor geschlossener Landgrenzen von Tibet nach Nepal (beide Grenzen sind wegen Erdrutschen immer noch gesperrt), wie geplant fortzusetzen. Wir können uns nicht vorstellen, dass diese beiden, auch für den Warenverkehr strategisch wichtigen Grenzübergänge noch viel länger unpassierbar sein sollten. Zudem geht die Monsun-Saison dem Ende zu, weswegen die Ursache für die Erdrutsche wegfallen sollte. Soweit unsere Logik…
Am Morgen der Abfahrt in die autonome Region Tibet stößt unser obligatorischer Guide zu uns: schnell wird klar, dass es mit ihm sehr anstrengend wird. Sein Englisch ist sehr schlecht und eine Kommunikation jenseits von seinen angelernten Standard-Aussagen daher nur schwer möglich. Sehr schade, hätten wir doch viele Fragen (die wir dann einfach Chat GPT stellen). Zudem ist er Kettenraucher… natürlich raucht er nicht im Fahrerhaus, wo wir zu dritt recht eng zusammensitzen, aber er riecht einfach extrem unangenehm. Zusätzlich muffeln seine Füße und die Schuhe, die er ab und zu ausziehen muss, wenn er in der Mitte sitzt. Am meisten regt uns jedoch seine Passivität auf: selbst um seine Hotelunterkünfte müssen wir uns kümmern (dabei ist er doch der lokale Guide und nicht wir!), weil er im Umgang mit Karten-Apps, Routenplanungen (im dünn besiedelten Tibet gibt es – völlig überraschend – nicht alle 10 km einen Ort mit Hotel!) etc. völlig unfähig ist. Es tut uns sehr leid, für ihn und für uns, dass wir ausgerechnet einen solchen „Volltreffer“ erwischt haben, obwohl wir uns schon seit Monaten vorgestellt haben, einen netten, gebildeten Tibeter als Travelbuddy aufnehmen zu können, weil wir eh einen Horror vor den Guidethema hatten.
Neben dem Belastungsfaktor „Guide“ kommt die extrem strapaziöse An- und ggfs. Ab-Reise hinzu: auf der Hinfahrt müssen wir 750 km Erd-Piste mit teilweise extremen Regen bzw. Schnee und extrem intensivem LKW- und Schwertransport bezwingen: im Tief-Schlamm einen Konvoi von 12 jeweils ca. 80 Meter langen Wind-Rad Transport-Sattelschlepper zu überholen ist schon ein Erlebnis – das hatten wir in der Länge und Verkehrs-Intensität noch nicht einmal in Afrika und Südamerika! Zudem kommt, dass eine vernünftige Höhenakklimatisierung unmöglich ist: von Golmud schon auf knapp 3000 Hm geht es schnell auf das tibetische Hochplateau, wo wir uns die nächsten Tage auf mindestens 4500 Hm befinden. Zum Stress des Fahrens und des Guides kommt also noch die Tatsache dazu, dass man kaum schläft und alles sehr anstrengend ist. Als ob das alles nicht genug wäre, wird mit jedem Tag immer klarer, dass die Landgrenzen zeitnah nicht öffnen werden und der, gerade zu diesem Zeitpunkt stattfindende, Regierungs-Putsch in Nepal einer zielgerichteten Lösung auch nicht förderlich ist.
Hinzu kommt, dass unser Plan B (nicht Ausreise nach Nepal sondern eine über 11.000 km lange Rückreise mit Shujaa durch West-China, Kasachstan, Russland, Georgien, Türkei nach Europa) eine Verlängerung unserer Aufenthaltserlaubnis in China voraussetzt. Zwei Versuche in Tibet scheitern diesbezüglich, eine Verlängerung scheint nur in „Mainland-China“ möglich zu sein. All dies führt dazu, dass wir die traumhaften Landschaften und kulturellen Highlights Tibets nur bedingt genießen können und vor allem Karin sehr traurig darüber ist. Zweifelsohne eine Traumlokation, aber nicht unter diesen Umständen, die uns – wie eigentlich bisher noch nie auf unserer durchaus anspruchsvollen Weltreise – an die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit bringen.
Die final dann sehr schweren Herzens, aber schlussendlich alternativlos angetretene Rückreise von Tibet auf einer anderen Route ist etwas besser als die Hinreise, aber immer noch eine wahre Herausforderung! Unglaublich, dass ein Land mit einer ansonsten so perfekten und modernen Infrastruktur wie China es nicht geschafft hat, die einzigen drei Straßen-Routen nach Tibet vernünftig auszubauen und damit ein riesiges Nadelöhr geschaffen hat: die LKWs stauen sich zu Tausenden und die chinesischen Touristen lassen einfach ihr eigenes Auto nach dem Tibet Road-Trip per LKW zurücktransportieren und fliegen selbst zurück… Schade, aber dieses Abenteuer werden wir lange nicht vergessen!
Spannende Fahrt, toller Reisebericht und wunderschöne Fotos. Es gibt so viele schöne und interessante Orte auf der Welt. Bleibt gesund und Unfall frei. Gute Fahrt.
Herzliche Grüße.
Harald
Danke 🙏
Once again, I thank you for beautifully sharing your world travels in words and magnificent photos. You continue to show us the truth of our global connection as human beings.
„Keep on truckin!“
We will 😉 and thanks
Hallo Ihr beiden, wieder tolle Bilder! Kann mich so gut an unere Tour in Tibet 2011 von Kathmandu nach Lhasa über den Kailash erinnern. Schade dass das mit Nepal zur Zeit nicht funktioniert, ist echt traurig wenn man die Zusammenhänge näher kennt. Am Ende werden es wieder die armen Leuta austragen müssen.
Da mit dem Guide hatte ich fast so kommen sehen, davor graut es uns auch schon. Euch weiterhin einen guten Tripp. Wie oft wechelt ihr eigentlich die Reifen? Oder fahrt ihr so viel?
LG
Pius und Rita
Tja, manchmal ist es eben so – nix zu machen.
Bis sie abgefahren sind 😉 und das ist normalerweise alle 40-45.000 km. Dieses mal etwas früher, weil wir dachten, dass wir ab Nepal Richtung Afrika nur an sehr teure rankommen … so kann man sich irren 😉.
Danke für die immer so netten Kommentare!
Da wart ihr ganz schön gefordert auf eurer Reise durch den Tibet. Solche Krisensituationen zeigen, wie wertvoll eine gute Paarbeziehung ist und wie fest solche Situationen zusammenschweissen. Weiterhin gute Weiterreise ohne Stinkfüsse und Zigarrettengeschmack. Und muss ich die absolut tollen Bilder noch erwähnen? Herzlich Heidi und Werni
😂 DANKE!