Nach über 22.000 km und fünf Monaten haben wir nun China erreicht – ein weiteres großes Etappenziel unserer Seidenstraßen Tour. Eigentlich ist ein begleitender Tour-Guide vorgeschrieben, wenn man mit dem eigenen Fahrzeug durch das Land reisen will und – da uns alle Reisepartner für unsere Durchquerung von der Mongolei nach Nepal sukzessive abhandengekommen sind – hätte das, neben den hohen Kosten, bedeutet auch jeden Tag den Guide im eigenen Fahrzeug zu haben. Nichts, was uns gefallen hätte, aber wir waren schon bereit diese Kröte zu schlucken, bis unsere China-Agentur von sich aus vorschlug, bis Tibet alleine durch das Land zu reisen: wir wären ja schon durch die ganze Welt gefahren und würden sicherlich in China auch alleine zu Recht kommen – mit Backoffice Support, wenn notwendig. Wir machen Freudensprünge und freuen uns noch mehr… haben aber auch Respekt vor der Herausforderung China alleine zu bereisen.
Mit allen relevanten Apps und VPNs ausgestattet (in China ist alles anders: Kreditkarten funktionieren nur sehr selten, dafür zahlt man alles mit AliPay, WhatsApp ist unbekannt, dafür gibt es WeChat, mit dem man auch bezahlen kann etc.), stehen wir erwartungsvoll an der Grenze. Mittlerweile dürfen EU-Bürger bis zu 30 Tage Visumfrei im Land reisen, was unsere Reiselogistik deutlich erleichtert und auch problemlos funktioniert. Nach 30 Minuten sind wir eingereist und der Zoll-Agent unserer China-Agentur wartet schon auf uns und nimmt den weiteren Prozess des Importes von Shujaa und Shujoo in die Hand. Wir sind gar nicht mehr gewöhnt, dass wir uns an der Grenze um nichts kümmern und einfach nur warten müssen. Nach fünf Stunden halten wir unser chinesisches Nummernschild und den chinesischen Führerschein in der Hand (beides obligatorisch) und dürfen auf eigene Faust davon fahren. War ein einfacher und entspannter Grenzübertritt und die aufwändigen Prozesse von anderen Gruppen-Reisenden wie technische Fahrzeug-Überprüfung oder Führerschein-Prüfung blieben uns glücklicherweise erspart. Wieder mal ein Vorteil, wenn man alleine unterwegs ist 😉.
Die Straßen in China sind wie erwartet exzellent – vor allem wenn man aus der Mongolei kommt, weiß man das so richtig zu schätzen – und so machen wir ganz schön Strecke und sind schon einen Tag nach Einreise an der Chinesischen Mauer kurz vor Peking. Eine App, die uns zunächst wirklich beeindruckt ist amap, das Pendant zu google maps, das hier überhaupt nicht nutzbar ist, weil nicht aktuell, es hier niemand pflegt und unzuverlässig bzgl. Straßenführung ist. Eine so klare Führung, eine so detaillierte und übersichtliche Karte auch an Kreuzungen mit 4 übereinanderliegenden Straßen und eine so genaue Sprachführung haben wir noch nie gesehen. Auch die Parkplätze sind nicht nur einfach Parkplätze, sondern weisen Eingang, Ausgang, Ticketschalter etc. aus. Später allerdings nervt uns die „Dame“ etwas, wenn sie an fast nicht erkennbaren Kurven vor der „Sharp Curve“ warnt und man solle auf jeder Brücke langsam fahren. Vielleicht hilfreich für die chinesischen Fahrer 😉.
Ein wirkliches beeindruckendes Bauwerk, welches wir mit dem ersten Bus am Morgen besichtigen, bevor die Massen kommen. Apropos Massen: wir tun uns zunächst richtig schwer uns an den verschiedenen Sehenswürdigkeiten zurecht zu finden: riesige Parkplätze, die mindestens die Ausmaße von Fußballstadien haben, obligatorische Shuttle-Bus-Systeme, Tickets, die für Chinesen (und das sind 99,9% aller Besucher) nur online erhältlich sind und physische Ticket-Offices demzufolge schwierig zu finden sind. Und dann natürlich die unbeschreiblichen Menschenmassen: 1,4 Mrd. Menschen mit einer großen, mittlerweile sehr reisefreudigen Mittelschicht sind im Land unterwegs – und wir haben noch nicht einmal Ferienzeit. Da braucht man natürlich eine entsprechende Infrastruktur und jeder der uns kennt, weiß dass dies überhaupt nicht unser Ding ist. Aber die Welt besteht halt nicht nur aus den unendlichen einsamen Weiten der Mongolei oder den schroffen Bergen des Pamirs. Und die Welt zu bereisen und nicht im größten und zukünftig wohl auch wichtigsten Land der Welt gewesen zu sein, kommt für uns nicht in Frage. Zudem sind wir ja auf der Seidenstraße unterwegs und wollen auch den Startpunkt selbiger erkunden!
Peking fordert uns: eine Stadt mit 23 Mio. Einwohner, wir sind noch nicht wirklich mit den Begebenheiten des Landes vertraut, alles aber wirklich alles ist nur mit dem Übersetzer machbar, dazu die Vorbereitungen der Feiern des 80igsten Jahrestag der Beendigung des zweiten Weltkrieges im Pazifik. All das ist sicher mit das Schwierigste auf unserer bisherigen Weltreise, weil alles so völlig neu ist! Dennoch schaffen wir es in nur zwei Tagen die wichtigsten Sehenswürdigkeiten (verbotene Stadt, Sommerpalast, Himmelstor, Ming-Gräber, Lama-Tempel) zu besichtigen und auch noch ein paar Abstecher links und rechts zu weniger bekannten Ecken zu machen. Und Karin bekommt auch ihre sehnlichst erwartete Peking Ente.
Am dritten Tag schüttet es aus Kübeln und nachdem Shujaa eine neue Webasto-Diesel-Heizung an unserem Übernachtungs-Platz beim Ramada Hotel eingebaut bekommen hat – die alte hatte den Dienst quittiert – verlassen wir die Stadt wieder. Was für ein Service, aber das ist der Vorteil, wenn man eine Agentur im Hintergrund hat, die alles super organisiert… vor allem in China. Danke an Roadpioneer! Datong ca. 350 km westlich ist unser nächstes Ziel, wieder übernachten wir auf einem riesigen Parkplatz (der nachts glücklicherweise sehr ruhig ist) und besichtigen die Wolkengrat Grotten und die Altstadt. China ist stressig, das Land und deren Bewohner fordern einem vieles ab, aber die Sehenswürdigkeiten sind so gigantisch wie die Dimensionen des Landes und die Infrastruktur: ein Highlight jagt das nächste! Hängende Klöster, riesige alte Holzpagoden, die alte Stadt Pingyao, welche mit relativ überschaubaren Dimensionen fast etwas europäisches Altstadt-Feeling verbreitet.
Alles sehr intensiv und so fallen wir jeden Abend völlig ermattet ins Bett: meistens fahren wir 300-400 km am Tag (was wirklich entspannend ist, da die Straßen exzellent sind und auf den gebührenpflichtigen Autobahnen auch wenig Verkehr herrscht), besichtigen zwei Sehenswürdigkeiten und sind froh, dass unsere Übernachtungs-Stellplätze logistisch optimal immer auf den Parkplätzen der Sights liegen… Alles natürlich sehr zur Freude der Chinesen, die begeistert von uns und Shujaa sind und alles ausgiebig fotografisch festhalten. Morgens stehen wir dann mit Wecker auf, um im ersten Bus zu sitzen, bevor die Massen anrollen 😉… Das Wetter ist heiß und mit recht hoher Luftfeuchtigkeit, was das alles nicht einfacher macht. Aber wir sind ja glücklicherweise körperlich fit und können immer noch enge Taktzahlen mitgehen.
Die Eigenbestimmtheit ohne Guide wiegt den Stress an jeder Mautstation oder Parkplatz Ein- und Ausfahrt mehr als auf: unsere deutschen Nummernschilder sind nicht lesbar (das temporäre chinesische liegt auf dem Armaturenbrett und muss händisch rausgegeben werden), die meisten Maut-Mitarbeiter haben noch nie ein ausländisches Auto gesehen und sind mit der Situation hoffnungslos überfordert und verstehen zudem nicht, dass man kein Chinesisch kann.
Wir fahren an Städten mit 5-7 Mio. Einwohnern vorbei, deren Namen wir zuvor noch nie gehört haben. Die Massen an Hochhäusern sind beeindruckend… genauso wie die reale Immobilienkrise im Lande: so viele Hochhäuser, die nicht fertig gebaut sind, verrostete Baukräne etc., auch China hat seine Herausforderungen! Die Wasserfälle am Gelben Fluss – der gelb/braunen Lebensader des Landes – sind gigantisch. Die Stadt Xian mit über 10 Mio. Einwohnern ist uns natürlich bekannt: die Terracotta-Armee, aber auch die 14 km lange Stadtmauer oder der Glocken- und Trommelturm… in Realität viel schöner als auf Fotos. Dann das muslimische Viertel… hier in Xian beginnt die Seidenstraße und die Stadt wirkt viel weltoffener als z. B. Peking.
Die Temperaturen steigen auf über 35 Grad und wir sind platt vom Sightseeing: so fahren wir kurzentschlossen am Nachmittag noch mal kurz 350 km durch spektakuläre Tunnel und Brücken in die Berge zu den Maijishan Grotten. Kurz vor Dunkelheit kommen wir an und finden tatsächlich einen unbeleuchteten, etwas kleineren Parkplatz ohne Beschallung und parkieren direkt neben einem rauschenden Bach. Traumhaft, genauso wie die Grotten selbst, die wir am nächsten Tag besichtigen: an einer ca. 150 Meter hohen Felswand befinden sich ca. hundert Grotten mit Buddha Statuen, die über sehr steile, teilweise in den Fels eingelassene Treppen zu begehen sind. Das alles eingebettet in tiefgrüne, steile Berghänge die eher an Südost-Asien erinnern.
Einfach wunderschöne Bilder! Vielen Dank für‘s mitnehmen und weiterhin ein sichere, spannende und super schöne Reise 😉
Hi Phil,
vielen Dank, das machen wir doch gerne 😉.
Grüße
Karin & Oliver
Tolle Bilder und man glaubt es ja kaum, was in China alles zu sehen ist. Besonders die Version, dass man ohne Guide fahren kann macht das schon interessant. 🙂 LG Pius und Rita
Hallo Pius,
oh ja, China ist sehr vielfältig, aber auch extrem anstrengend aus verschiedenen Gründen. Vor allem, wenn man alleine fährt.
Liebe Grüße
Karin & Oliver
Ihr Lieben, wieder einmal ein phänomenaler Reisebericht mit atemberaubenden Fotos. So viel Exotik, so viel Logistik und natürlich auch so viel Mut, den es braucht, ein solches Land auf eigene Faust mit Shuja zu bereisen! Ihr macht das wirklich ganz toll und wir freuen uns jedes Mal, gedanklich mit Euch mitzureisen. 😘K&M
Liebe Kiki,
danke Dir vielmals. Du kennst uns, wir sind hart im Nehmen, aber ganz ehrlich wir sind gerade auf dem Weg raus aus China und wir sind froh, auch wenn es ein sehr interessantes und extrem vielfältiges Land ist.
Liebe Grüße und auf ganz bald
Karin & Oliver