2022AbenteuerLandschaftenNordamerikaStädteU.S.A.

Durch die romantischen Süd-Staaten der U.S.A.

Wir verlassen Florida und sind in einer anderen Welt… kaum zu glauben, dass Staaten wie Mississippi und Louisiana auch zu diesem riesigen, so unterschiedlichen Land gehören. Viel ärmer, schmuddeliger und natürlich auch viel dünner besiedelt mit fast ausschließlich schwarzer Bevölkerung. Auf dem Weg nach New Orleans sehen wir – in den touristisch nicht besuchten Außenbezirken – immer noch die Spuren des Hurrikans Catrina aus dem Jahr 2005. Neben den „klassischen“ Hurrikan Verwüstungen hatte er auch zu mehreren Dammbrüchen geführt und damit 75% des ganzen Großraumes New Orleans überflutet. Schrottfriedhöfe mit Autos, Häuser-Resten, Haushaltsgeräten etc. in unvorstellbaren Dimensionen, und immerhin ist diese Katastrophe schon über 17 Jahre her.

Das eigentliche New Orleans entspricht dann voll unseren Erwartungen: Das „French Quarter“ ist in der Tat wunderschön und einzigartig. Vor allem, wenn man bedenkt, dass wir uns in den U.S.A. befinden! Viele alte Häuser mit leicht morbidem Charme und tollen schmiedeeisernen Balkonen sowie ausladenden Veranden: eins hübscher als das andere und wir kommen nicht mehr aus dem Fotografieren raus. Zudem fast an jeder Ecke Jazz-Musikanten auf der Straße oder – schon zur Mittagszeit – in den verschiedenen Bars. So wie man sich halt New Orleans vorstellt und mit einem einzigartigen, sehr entspannten, Vibe! Abends gehen wir erst in eine Bar – dort gibt es zu den Drinks ein Austern-Special – und dann sehr gut essen. Am nächsten Tag machen wir einen Ausflug in die wirklich beeindruckende Mardi Gras Factory und einen Abstecher in das weitverzweigte Mississippi Delta: Mangroven und Krokodile in feucht-heisser Luft lassen Erinnerungen an die kürzlich besuchten Everglades wach werden! Eine Magen-Darm-Verstimmung quält uns ein wenig – vermutlich von dem Austern-Special. Kein Wunder war das Teil der Happy-Hour … die mussten wohl weg.

Was wären die Südstaaten ohne eine Fahrt entlang des Mississippis und seiner alten Plantagen! Der untere Teil bis hinter Baton Rouge sorgt leider für Ernüchterung: Ölverarbeitende Industrie entlang des Flussufers, wohin das Auge reicht. Erst weiter nördlich kommt „Tom Sawyer Romantik“ auf und die Besichtigung der bekannten Houmas Plantage ist zweifelsohne ein Höhepunkt – vor allem mit ihrer überaus üppigen weihnachtlichen Dekoration. Nachdem wir unsere kurze, aber heftige Lebensmittelvergiftung halbwegs überwunden haben, geht es weiter, am immer ursprünglicher werdenden Flussufer gen Norden. In Natchez besichtigen wir weitere Antebellum-Häuser und fühlen uns um Jahrhunderte zurückversetzt. Einfach romantisch und wunderschön.

Man sollte meinen, dass man nach mehr als 200.000 km Fahrpraxis, in schwierigem Terrain, auf fünf Kontinenten, vor „fahrtechnischen Missgeschicken“ bewahrt ist – leider weit gefehlt! Auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz sinken wir beim Reversieren im bodenlosen Morast des Mississippi-Ufers ein, weil wir von der aufgeschotterten Zufahrt seitlich abrutschen. Wie wir später erfahren, befinden wir uns schon im Flussbett, nur hat es derzeit historisch niedrigen Wasserstand und die Bootsrampe musste durch Aufschotterung extra „verlängert“ werden, um noch einen Zugang zum Wasser zu ermöglichen. Das alles hilft uns in unserer Situation gar nicht und die Selbstbergemanöver müssen wir direkt wieder abbrechen, da Shujaa nur noch mehr auf eine Seite sinkt, sich schieflegt und aufgrund seiner bedrohlichen Schieflage zu kippen droht. Karin – normalerweise eher der Ruhepol in solchen Situationen – ist völlig panisch, dass Shujaa umfällt. Ich bin mir hingegen recht sicher, dass Shujaa von alleine nicht weiter kippen wird, da beide Hinterachsen noch auf dem festen, aufgeschotterten Bereich aufsitzen.

Wie immer passiert so etwas im schlecht möglichsten Augenblick – einem Sonntag-Nachmittag! Aber glücklicherweise sind Locals vor Ort und so können wir schnell einen professionellen LKW-Berge-Truck mit Seilwinden anfordern. Wie immer in solchen Situationen dauert es ewig und Karin ist überzeugt, dass Shujaa sich sukzessive immer weiter neigt. Der erste Berge-Truck bzw. sein Fahrer ist leider unfähig, es wird ein weiterer Experte angefordert, der wiederum einen anderen Berge-Truck kommen lässt. Kurz vor Mitternacht stehen dann drei Berge-Trucks mit wild blinkenden Lichtern herum und dann wird Shujaa ganz langsam, kontrolliert und völlig unspektakulär in 30 Sekunden mit zwei Seilwinden herausgezogen: Eine zum Stabilisieren, damit Shujaa nicht kippt, und eine zum Ziehen. Ein teures Unterfangen für einen kurzen Augenblick der Unaufmerksamkeit! Wenigstens müssen wir nicht, wie geplant, im Hotel übernachten und Shujaa hat die ganze Aktion ohne jegliche Schrammen überstanden! Schlafen können wir natürlich trotzdem nicht bei dem Adrenalin-Pegel!

Was bleibt, ist eine recht heftige Erkältung, die wir uns bei der Warterei zugezogen haben (Karin hatte mir verboten, Jacken aus Shujaa zu holen, weil er dabei hätte umkippen können 😉). Entsprechend malade kommen wir in Dallas an, wo wir einen alten High-School Freund von mir – Pat – besuchen. Wir kennen uns seit 36 Jahren und haben zwei tolle Tage miteinander. Karin ist immer so begeistert von der Weihnachtsdeko der amerikanischen Häuser: das im Garten am intensivsten dekorierte Haus was wir bisher überhaupt gesehen haben, ist – was für ein Zufall – das von Pat.

Die U.S.A. ist ein riesiges Land… und Texas ist ein riesiger Staat! Erstmalig fahren wir 1.000 km ohne irgendeinen Sightseeing-Punkt gen Westen und verinnerlichen die ganze Weite des Landes und seiner Ölförderung. Wenigstens ist der Diesel hier recht günstig mit umgerechnet 1 €/liter.

Im Big Bend N.P. ganz im Süden an der Grenze zu Mexiko sind wir plötzlich in einer völlig anderen Welt angekommen. Weite Wüste, herrliche Berge, völlige Einsamkeit und extreme Off-Road Pisten. Letztere können in der Tat mit den anspruchsvollsten unserer Strecken in Afrika und Südamerika mithalten… und das in einem Nationalpark in den U.S.A.! Wir sind überrascht, dass man uns ohne Einschränkungen diese Pisten fahren lässt… insbesondere, weil uns überall die Story von einem umgekippten Unimog begegnet, wo die Bergung ganze 18 Monate gedauert haben soll. Darauf können wir diesmal gerne verzichten und genießen stattdessen die wunderschön einsamen gelegenen Wildcamps im Park, eindrucksvolle Wanderungen sowie einen Abstecher per Boot über den Rio Grande nach Mexiko.

Entlang des Rio Grandes geht es weiter nach Westen und später nach Norden in endlose Wüsten-Gebiete. Das Klima ist extrem trocken und es gibt so viel Platz, dass man immer wieder bizarr anmutende Auto-Wracks und sonstige Relikte aus längst vergangenen Zeiten auf verlassenen Farmen „in the middle of nowhere“ antrifft, die schöne Fotomotive abgeben.

6 Kommentare

  1. Hallo zusammen, ich verfolge gerne die Reisen die Sie unternehmen. Die Berichte sind immer sehr interessant und mit tollen Bildern garniert. Zu dem Problem mit dem abgerutschten Fahrzeug und die Sicherung gegen weiteres Kippen gibt eine Lösung. Während meiner aktiven Berufszeit haben wir tonnenschwere Teile mit Hebekissen angehoben. Ich lasse mal einen Link der Herstellerfirma da: https://vetter.de
    Druckluft haben Sie ja an Bord. Ich wünsche Ihnen weiterhin gute Reise und tolle Erlebnisse.

    Mit freundlichen Grüßen
    Hans H. Wilkens

    1. Hallo Herr Wilkens,
      lieben Dank für Ihren Kommentar und den Tipp. Wir haben sogar zwei Hebekissen dabei, nur in dem Fall hat es leider nicht funktionieren wollen. Wir waren zu tief im Schlamm und das Anheben hätte das Kippen u.U. forciert. Daher haben wir uns für externe Hilfe entschieden. Dennoch herzlichen Dank, das ist sehr lieb.
      Grüße
      Karin & Oliver

  2. Oh, welch ein aufregender Start in das neue Jahr! Wie gut, dass es euch und Shujaa wieder gut geht… und welch eindrucksvolle Fotos und Erlebnisberichte – danke 🤩

    1. 😘

  3. Hallo Ihr Beiden,

    sehr schöne Bilder und schön, dass es mit der Bergung releativ gut ausgegangen ist. Reichen da 1800 $? Nur zur Kalukation für unser Budget.

    Gruß
    Pius

    1. Hallo Pius,
      also das würde ich nicht ins Budget nehmen, da planst Du ja förmlich mit sowas 😉
      Na ja, Amerika ist teuer, da braucht man das schon, aber in jedem anderen Land ist es ein Bruchteil davon.
      Liebe Grüße
      Karin & Oliver

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