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Ohne Fensterheber in die Namib-Wüste

Wie schon beim ersten Teil unserer Weltreise – Südamerika – hätten wir beinahe von Mallorca kommend den Interkontinental-Flug von Frankfurt via Kapstadt nach Walvis Bay verpasst. Der Flieger aus Mallorca war verspätet und wir konnten das Gepäck nicht nach Namibia durchchecken. Während Karin aufs Gepäck in Frankfurt wartete hielt ich die Check-In Mädels bei Laune…. Auf den allerletzten Drücker klappte es dann noch.

Wir lieben kleine Flughäfen wie Walvis Bay: man läuft über das halbe Rollfeld zum Terminal, das Gepäck wird per Pick-Up angeliefert, alles ist sehr übersichtlich und problemlos. Mit unserem Mietwagen fahren wir durch die Wüste nach Walvis Bay wo wir uns für die ersten beiden Nächte in einem super-schicken Boutique Hotel „The Rez“ eingebucht haben. Da unser Schiff mit Shujaa an Bord – die Grande Cosmo – etwas Verspätung hat, haben wir einen „Extra-Tag“, den wir mit Besorgung einer lokalen SIM Karte und von Bargeld sowie einem Ausflug nach Swapkopmund verbringen. Aber wenigstens ist unsere Frachter – im Gegensatz zu unserem Schiff mit dem wir nach Südamerika verschifft haben – unterwegs nicht abgesoffen..

Am nächsten Morgen ist es dann soweit mit der Abholung von Shujaa und wir sind beide sehr aufgeregt. Während Karin im Büro des Agenten wartet fahre ich mit ihm zum Hafen, wo wir zusammen mit einem Zollbeamten zu Shujaa fahren. Mein Erstbegutachten ergibt keine Schäden – weder außen noch im Innenraum. Als ich aber wenig später das Fahrerhaus besteige, fällt mir direkt der offene Sicherungskasten unterhalb des Armaturenbrettes auf… sehr ungewöhnlich. Dann sehe ich, dass sowohl auf der Fahrer- wie auf der Beifahrerseite die Bedienpanels der elektrischen Fensterheber und Spiegelverstellung fehlen. Sie wurden wohl fachmännisch, ohne irgendwelche Beschädigungen zu hinterlassen, ausgebaut. Ein klassischer „Auftragsdiebstahl“, um an ein benötigtes Ersatzteil heranzukommen. Die Jungs im Hafen von Walvis Bay können recht glaubhaft mit Fotos versichern, dass dieser Zustand schon bei der Ankunft des Schiffes bestand. Wir vermuten, dass die Fensterheber entweder beim Zwischenstopp in Westafrika (Ghana) oder während der Überfahrt selbst entwendet wurden. Sei es drum: ärgerlich, aber es gibt Schlimmeres. So geht es nun darum einen Schadensbericht erstellen zu lassen, diesem unserem Spediteur in Deutschland und seiner Transportversicherung zuzuschicken, mit MAN in Windhoek Kontakt aufzunehmen und die Ersatzteile zu bestellen – tatsächlich sind sie vor Ort vorhanden bzw. können in einem Tag aus Südafrika herbeigeschafft werden. Erneut wie schon in Südamerika ein Top-Service von MAN vor Ort. Wir sind froh, dass wir, wie immer, das Fahrerhaus komplett ausgeräumt haben. Dass begehrte Einbauteile ausgebaut werden, scheint, laut Aussagen von Hafenmitarbeitern, durchaus häufig zu passieren. Mit diesem Risiko muss man also leben.

Wir vereinbaren eine Verschickung der Ersatzteile nach Swapkopmund, wo wir sie in circa 2 Wochen auf unserer Rückreise gen Nord-Namibia abholen werden, und nach einem Großeinkauf machen wir uns auf in die Namib-Wüste. Diesmal mit einem Spezial-Permit ausgestattet, welches uns erlaubt, auch abseits der Haupt-Pisten die Wüste zu durchqueren. Über Homeb am Kuiseb Riviere geht es zum Granit-Felsen Mirabib, wo wir einen traumhaften Übernachtungsplatz haben, mit Weitsicht in die unendliche, menschenfeindliche Namib-Wüste und einem Sonnenuntergang den man so eben nur in Afrika vorfindet.

Weiter fahren wir auf insgesamt sehr guten Schotterpisten (Namibia hat zu Recht immer noch die Reputation die best-gepflegtesten Pisten weltweit zu haben) zum Kuiseb Canyon; dann via Solitaire (in diesem entlegenen Roadhouse mitten in der Wüste gibt es in der Tat den besten Apfelstrudel Afrika’s) Richtung Soussuvlei, wo wir uns circa 20 km von der Parkeinfahrt auf einem kleinen Weg für die Nacht in die Wüste verziehen. Obwohl wir am nächsten Morgen nicht zu den ersten beim Sonnenaufgang am Gate zählen, ist hier im Vergleich zu unserer letzten Namibia Reise von vor gut 6 Jahren erstaunlich wenig Betrieb – damals wurde übrigens die Idee unserer Weltreise mit einem Expeditionsmobil geboren. Wir wandern als erstes in der morgendlichen Kühle zum wenig besuchten Hidden-Vlei und genießen dort völlig für uns alleine den Wechsel der Farbenspiele und die absolute Stille und Weite der Landschaft. Anschließend machen wir erst einmal einen ausgiebigen Brunch bei Shujaa und halten dann über die heiße Mittagszeit eine Siesta in unseren Liegestühlen ab – ist schon praktisch, wenn man alles dabei hat.

Nachmittags geht es auf der 4×4 Piste ins Dead-Vlei: leider nicht mit Shujaa obwohl er sich schon so auf die erste Tiefsandfahrt in Afrika gefreut hatte – Trucks dürfen dorthin nicht fahren und auf die Strafe von 50.000 namibianischen Dollars wollen wir es nicht ankommen lassen. Der Jeep-Shuttle Fahrer eröffnet uns, dass er uns zwar noch rausfahren kann, aber dann Feierabend macht und wir demzufolge die 4 km zurücklaufen müssen. Auch im Dead-Vlei treffen wir, mit Ausnahme einer Familie aus dem Elsass, kaum Menschen an, diese nimmt uns dankenswerter Weise in ihrem Jeep mit zurück zu Shujaa, nachdem wir ausgiebig die ruhige Stille und atemberaubende Szenerie genossen haben…. die 4 km Wanderung im Tiefsand zurück zu Shujaa hätten wir nicht wirklich gebraucht. Die gesparte Kraft nutze ich, um kurz vor Sonnenuntergang auf die Düne 45 hoch zu sprinten und dort das traumhafte Farbenspiel der tiefstehenden Sonne und den harten Dünen-Schatten zu bewundern – Karin beobachtet das alles lieber von Shujaa aus. Da wir keine Lust auf die überteuerten und wenig charmanten Campingplätze am Parkeingang haben, stellen wir uns einfach unweit des Einganges an den Rand der nachts nicht befahrenen Piste.

Weiter geht es gen Süden: wir besuchen das völlig skurrile Schloss Duwiseb: Im Jahr 1908 hat der Deutsche Hansheinrich von Wolf mitten in der Wüste für sich und seine Frau ein Schloss aus Natursteinen mit Rittersaal etc. gebaut: das komplette Mobiliar wurde nach Lüderitz verschifft und von dort mit Ochsenkarren in die Wüste gebracht. Er war zudem versessen darauf, möglichst viel Land hinzuzukaufen.

Anschließend geht es weiter in die malerischen Tirasberge – die Piste geht genau zwischen dem Gebirgsabfall des Hochlandes und den Namib Dünen entlang. Nach Durchquerung der menschenleeren Gegend treffen wir am Ende einer kleinen Schlucht auf die Namtib Lodge: das ehemals Deutsche Ehepaar Theile führt seit 37 Jahren die Farm mit Gastbetrieb, heute haben die Kinder das Biosphären-Reservat übernommen und unterhalten die Farm nach ökologischen Gesichtspunkten. Den jeweiligen Wasservorräten angepasst wird versucht, eine Balance zwischen der Anzahl der Rinder, der Antilopen und der Schafe zu halten. In wasserreichen Jahren werden mehr Rinder gehalten, in wasserarmen wird das Wild (Springböcke, Oryx) bevorzugt – und wenn gar nichts mehr geht, werden die Schafe aufgestockt. Damit findet keine Überweidung statt. Den letzten signifikanten Niederschlag gab es 2012!

Unser Stellplatz auf dem 3 km vom Farmgebäude entfernten Wild-Camping ist ein Traum: vor uns die Ebene mit den Namib Dünen, hinter uns die braun/schwarzen Granitsteine der Tiras Berge und neben uns ein schattiger Kameldornbaum. Afrika pur! Wir sind schon am Mittag da und können damit diesen Traumplatz ausgiebig genießen. Am Spätnachmittag machen wir eine kleine Wanderung über einen Teil des 16 Ha großen Farmgeländes – obwohl mit Fernglas und Teleobjektiv bewaffnet sehen wir keinerlei Tiere. Anschließend nehmen wir unseren ersten selbstgemixten Gin-Tonic in Afrika zu uns, und dann noch einen zweiten. Der Sonnenuntergang und die Atmosphäre ist so, wie man sie nur in Afrika vorfindet. Die an der Feuerstelle gegrillten Steaks sind exzellent. Ein weiterer Traumtag!

Im warmen Morgenlicht geht es weiter – vor uns die tiefroten Dünen der Namib welche eine harmonische und friedliche Stimmung bewirken. Kolmanskop, die vom Sand und der Natur sukzessive zurückeroberte Geisterstadt aus der Diamantenära des vorletzten Jahrhundertwechsels, ist dazu ein harter Kontrast. Eine groteske Stimmung, welche durch die zahlreichen deutschen Namen und den bei unserem Besuch vorherrschenden extremen Sandsturm noch verstärkt wird. Auch Lüderitz, neben Walvis Bay der zweite Hochseehafen Namibias, wirkt wie ausgestorben und aus einer anderen Zeit – hier sind die Uhren in der Tat stehen geblieben.

Unseren Übernachtungsplatz schlagen wir erneut mitten in der Wüste auf, wo wir die sehr seltenen Namib-Wildpferde an einer Tränke beobachten können (es soll von dieser, von ehemals deutschen Garnisonspferden abstammenden Art, nur 100-300 Stück geben).

 

 

7 Kommentare

  1. Vielen herzlichen Dank für die absolut gelungenen Bilder!! Als beisterter „Mitfahrer“ u. ebenso begeisterter (Hobby-)Fotograf würde ich gern eine Beobachtung mitteilen, bei der es um ein (wie mir wohl bewusst ist) ziemlich subjektives, gleichwohl technisches Thema geht: Farbtemperatur / Einstellung der Kelvin-Zahl an den verwendeten Kameras. – Mir war von Anbeginn des Verfolgens Eurer Reisebilder an aufgefallen, dass die ersten Fotos (Marokko 2015) viel „wärmer“ waren als die dann folgenden von Südamerika, – das gilt für alle in Südamerika entstandenen Bilder. – Und ehrlich gesagt: So sehr mir unter diesem Farbtemperatur-Aspekt die frühen Marokko-Fotos gefielen („warmtönig“), so sehr hatte ich immer ein Problem mit den Südamerika-Bildern: Sie waren so auffallend kühl in der Abstimmung der Farbtemperatur. –
    Jetzt seid Ihr wieder in Afrika u. die Bilder sind wieder auffallend „warm“, deutlich wärmer als die südamerikanischen! Was die Frage aufwirft: Habt Ihr die Kelvin-Einstellung Eurer Kameras verändert oder hat Afrika einfach eine „wärmere“ Atmosphäre, ist das Licht dort rötlicher?
    (Ich hatte zu Analog-Dia-Zeiten immer einen KR3-Filter auf jedem Objektiv, die Ergebnisse gefielen mir halt viel besser; heute habe ich an meinen Kameras 6000K fest eingestellt ((ohne jede mir immer suspekte Automatik)), weil ich’s halt warmtöniger mag; – aber das ist wie gesagt Geschmackssache. „Physikalisch korrekt“ wären 5200K, was ist mir schon zu „kalt“ ist.)
    Für mich liegt die Vermutung nahe, dass Ihr die Kameras „wie immer“ verwendet und das der mir auffallende Unterschied tatsächlich an den unterschiedlichen Lichtstimmungen / Atmosphären der so unterschiedlichen Kontinente liegt. =>??
    Herzlichst, Christoph

    1. Hallo Christoph,

      das ist eine sehr interessante Beobachtung und Du hast mit Deinem Fazit vermutlich recht. Obgleich ich nicht der Profi bin.

      Also, … nein, wir stellen die Kelvinzahl nicht um. Wir fotografieren, aber auch nicht super-manuell. Vieles ist voreingestellt, weil mir immer noch die Sensibilität fehlt, die Unterschiede wirklich zu erkennen. Das ist eine Sache der Erfahrung und der Zeit (hoffe ich). Ich bearbeite die Bilder hinterher immer noch ein bisschen, aber auch das mit einem ziemlichen Standardprozess, so dass auch hier die Grundlage immer gleich sein dürfte. Und ja… auch ich habe den Eindruck, dass Afrika an sich viel wärmer ist. Die Sonnenuntergänge sind so farbenprächtig und orange, lila und rot, dass ich manchmal die Bearbeitung eher zurückdrehen muss, weil es völlig überzogen aussieht.

      Hilft das?

      Liebe Grüße
      Karin

  2. Hallo Weltenbummler,
    vielen Dank für die schönen Bilder und den Bericht – das ruft wunderschöne Erinnerungen ins uns wach. Das Camp der Namtib Lodge, der Sonnenuntergang, der Sternenhimmel haben uns auch unglaublich fasziniert, dort werden wir sicher auch bald wieder campen. Die Pad war damals allerdings in einem sehr ungemütlichen Zustand mit Wellenwellenwellen, so dass wir nur sehr langsam vorwärts kamen. Der Grater brachte erst ein paar Tage später die wohltuende Laufruhe zurück.
    Wir wünschen euch ganz viel Spaß und schöne Erlebnisse!

    Liebe Grüße von Win & Petra aus Südafrika

    1. Hallo Petra und Win,

      danke für den lieben Kommentar. Zum Glück finden wir bisher alle Straßen hochvorzeigbar 😉 aber das wird sicher noch anders. Danke für die guten Wünsche und auch Euch ein entspanntes Weiter-Reisen.

      Liebe Grüße
      Karin & Oliver

  3. Wie herrlich! Sowohl euer wieder einmal sehr lesenswerter Reisebericht als auch die verzaubernden Fotos. Euer Blog ist einfach Weltklasse! Wir reisen in Gedanken mit… eure k&m

  4. Schöner Bericht und noch schönere stimmungsvolle Fotos. Da wir schon 2 Mal Namibia mit einem Offroader bereist hatten kommen mir viele Fotos bekannt vor.

    1. Ja, das ist wahr. Wir sind gerade eher auf der „klassischen“ Route unterwegs. Hier waren wir 2012 auch schon einmal, aber es ist dennoch wunderschön, auch das 2. mal. Vor allem mit unserem eigenen Wagen ist es einfach nochmal was anderes. Sowohl das Reisegefühl, alles dabei zu haben, als auch die Freiheit einfach länger stehen zu bleiben.
      Danke für euer Interesse und Liebe Grüße
      Karin & Oliver

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